Carl Martin
Reinthaler
.
"Jephta und
seine Tochter"

6. Oktober - St. Moriz Kirche
Ulrike Heyse
Carolin Masur
Cenonas Zemaitis
Phillip Langshaw
.
Orchester des
Landestheaters
1996

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Werk und Komponist   LP mit Covertext (1984) Doppel CD (1997/2004) Libretto   Bilder   Ausführende   Pressestimmen  

Weitere Aufführungen:

Gießen/Wetzlar (2001)  Bielefeld (2006) Erfurt (2007)


Werk und Komponist

ph_jeph.jpg (11396 Byte)Carl Martin Reinthaler wurde 1822 in Erfurt geboren. Sein Vater, ein hochgeschätzter Pädagoge, gründete in Erfurt die Armenschule "Martinsstift" und wurde der "2. Pestalozzi" genannt.

Obwohl Carl Martin bereits als Kind hohe Musikalität bewies, wurde er auf Wunsch des Vaters erst Theologe, widmete sich aber ab 1848 ganz der Musik. Bis 1857 war er Gesangslehrer am Konservatorium in Köln; danach erwarb er sich als Domorganist und Kantor in Bremen den Ruf eines "Bremischen Musikpapstes". Unter seiner Leitung wurde 1868 das "Deutsche Requiem" von Johannes Brahms im Bremer Dom uraufgeführt. Sein Wirken fand durch die Ernennung zum Professor und die Berufung zum Mitglied der Akademie der Künste in Berlin angemessene Würdigung.

Als Reinthaler vor 100 Jahren in Bremen starb, hinterließ er leider nur wenige Kompositionen - außer "Jephta" nur noch die Opern "Edda" und "Käthchen von Heilbronn" sowie einige Chorsätze - die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind.

Das Oratorium "Jephta und seine Tochter" erzählt eine Geschichte aus dem Alten Testament (Buch der Richter, Kapitel 11).

Jephta wird zum Heerführer im Kampf der Israeliten gegen die Ammoniter berufen. Er gelobt, bei siegreicher Heimkehr Gott zu opfern, was ihm als Erstes aus seiner Haustür entgegenkommt. Als ihn bei der Rückkehr seine einzige Tochter als Erste freudig begrüßt, stürzt er in tiefe Verzweiflung. Abweichend vorn Bibeltext wird im Oratorium durch Anweisung "von oben" das Mädchen gerettet.

Der Chor hat als "Volk Israel" die anspruchsvolle Aufgabe, die wechselnden Stimmungen von Verzweiflung, Hilferufen, Kampfgetümmel, Siegestaumel, Wehklagen, Ergebenheit, Anflehung und Gotteslob auszudrücken.

 

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Die erste und bis damals einzige Einspielung erschien 1985 beim Päd. Verlag Schwann-Bagel GmbH, Düsseldorf:

AMS 4526 2LP DMM
LC 0278

als Live-Mitschnitt einer Aufführung vom 9.9.1984 im St.-Petri-Dom zu Bremen als Koproduktion von Radio Bremen, Hessischem Rundfunk und Deutschlandfunk.

Eine hervorragende Aufnahme, leider nie als CD erschienen und die LP ist seit Jahren vergriffen.

Zu Reinthaler und dem "Jephta" heißt es im Cover-Text:

Wie nur bei wenigen Werken kann man an Reinthalers "Jephta" eine Verquickung von persönlich-kompositorischer Entwicklung, Einbeziehung politischer Ereignisse und musikgeschichtlicher Stilgeschichte beobachten.
Reinthaler wurde am 13. Oktober 1822 in Erfurt geboren, also zu einer Zeit, da Europa ach den Napoleonischen Kriegen durch den Wiener Kongreß neu geordnet worden war, die industrielle Revolution sich ankündigte und die Ideen der französischen Revolution auch deutsche Gemüter bewegten. Reinthaler studierte zunächst Theologie, ehe er sich Mitte der 40er Jahre dem Musikstudium bei A. B. Marx widmete. In dieser Zeit knüpfte er enge Beziehungen zu Mendelssohn und Wagner, mit denen er sich für die Konzeption dramatischer Musikwerke begeisterte Außerdem gelang es Reinthaler, durch seine Kompositionen das Interesse des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. zu erregen. Er schreibt dazu:

"Einige Psalmcompositionen von mir, die der Domchor aufführte, hatten die Aufmerksamkeit des hochseligen Königs erregt, der allem Dahingehörigen großes Interesse zuwandte und ein wirklicher Kenner war. Eines schönen Tages ließ mich sein Cabinetsrath kommen mit dem Vorschlag, wenn ich nach Italien reisen möchte, um dort die alte Kirchenmusik an der Quelle zu studieren, so wolle mir Se. Majestät Stipendien hierzu aus seiner Schatulle bewilligen. Ich nahm dies dankbarst an, und so gelangte ich nach Rom, nachdem ich vorher einen Winter in Paris zur Erweiterung meiner Gesangstudien hingebracht hatte.
Es war Palmsonntag, als ich mit Emil Naumann, einem gleichgestimmten Freunde und Kunstgenossen, dort eintraf. Wir hatten das Glück, auf dem Capitol in der Casa Tarpeja, dem Anbau des Palazzo Cafarelli, eine Wohnung zu bekommen. Der tausendfach geschilderte majestätische Eindruck der 'ewigen Stadt' und was zu ihr gehört, hatte auch uns begreiflicherweise überwältigt. Naumann (der jetzige Professor und Verfasser der Musikgeschichte, damals Director des Beiliner Domchors) mußte nach Berlin zurück; ich konnte bleiben. Die stille Größe und reine Schönheit dessen, was mich umgab mit den gewaltigen Erinnerungen, zwangen zu geistiger Einkehr, und wenn ich überhaupt mich zum Ausgestalten eines größeren Werkes zu erheben Kraft besaß, so konnte es nur hier sein."

Während seiner Studienzeit bewegten Reinthaler nicht nur die Ereignisse in der PauIskirche i m Jahre 1848, sondern auch der fortwährende Kampf der Schleswig Holsteiner gegen ihnen aufgedrängte Fremdherrschaft. In Rom gelang es ihm, politische Ideen und musikalisch-kompositorische Vorstellungen am alttestamentarischen Jephta-Stoff, der viele Parallelen zur Iphigenie hat, zu vereinen. Nach Bibelworten stellte er sich den Text selbst zusammen. Dazu wieder original Reinthaler:

"Den Vordergrund bildet der Kampf eines edlen Volkes, das sich durch Vereinigung und innere Erhebung seine Freiheit wieder erobert, man konnte unter dem Fernen an Näherliegendes denken; daneben der Held und Führer, der durch verhängnisvollen uralten Glauben über das Gelübde die Tochter zu opfern sich genöthigt sieht, ihm gegenüber die schöne, reine Mädchengestalt, welche sich dem dunkelen Verhängnisse freudig dahingeben will, übet dieses menschliche Empfinden, Hoffen und Fürchten, das Eingreifen der höheren Macht, die sich in der Erscheinung des Gewittersturmes und Erdbebens als Offenbarung des göttlichen Willens dem Menschengeschlechte verkündigt. Für diese Anschauungen, deren plastische Gestaltung in unserer nordischen civilisierten Welt nur wie aus weiter Ferne durch die Phantasie vermittelt uns erscheint, fanden sich in Italien die wirklichen Urbilder. Die einsame, lang hingestreckte Wüstenei der Campagna - mit ihren Felsenhöhlen und Schluchten, darüber Gewitterstürme von unglaublicher Heftigkeit, die (von mir bald aufgesuchten) Felsengebirge des Vesuvs mit dem geheimnisvollen Feuerschlund, von dessen Gipfel sich die Herrlichkeit der Welt anschaut wie ein Märchentraum, auf dem Gebirge die Gestalten schöner Jungfrauen, die noch heute wie in der Urzeit den Reigen tanzen - (das Alles versuchte ich - wie vor mir viel Größere in Tönen wiederzuspiegeln, zu denen der Stoff glückliche Veranlassung bot."

Die Uraufführung des "Jephta" fand unter Reinecke, einem seiner Rom-Freunde, in Elberfeld statt. Weitere Aufführungen folgten in verschiedenen deutschen Städten, vor allem aber auch in England. Dazu ist eine nette Geschichte erhalten, die Reinthalei wieder selbst erzählen soll:

"Die herrlichen rheinischen Musikfeste, zu welchen viele Hunderte von Dilettanten aus den verschiedenen Städten sich vereinigen, um edle Musikwerke zu großartiger Aufführung zu bringen, an denen sich das Kunstgefühl des Volkes läutert und erhebt, pflegten auch eine gößere Anzahl ausländischer Kunstfreunde dahin zu ziehen, welche bei solcher Gelegenheit das Centralland der Musik aufsuchten. So trat eines schönen Tages ein Fremder in mein Zimmer, er hieß Chorley und war, wie ich später erfuhr, ein berühmter englischer Kunstkritiker. Er verlangte, ich solle ihm mein Oratorium vorspielen. Es mußte geschehen von der ersten bis zur letzten Note. Er bedankte sich, sagte einige freundliche Worte und ging. Nach einigen Wochen kam ein zweiter Engländer auf die Empfehlung seines Freundes Chorley und verlangte dasselbe: ich that es noch einmal, mehr aus angeborener Höflichkeit als aus Neigung. Doch freute mich, daß er die Meldodien mitbrummte und zuweilen mit dem Finger auf dem Clavier mittastete. Als die zweistündige Arbeit fertig war, sagte er nur: "Sorgen Sie für eine gute, schnelle Übersetzung ins Englische, senden Sie mir die übersetzte Stimme zur Correctur, ich führe Ihr Werk auf." Nun, aber wo? "Nun in London, und Sie kommen herüber." Ich meinte es wäre ein Traum, aber es war wirklich so. Ich verlebte in London, wo ich auch Freunde und Schülerinnen aus Rom fand, herrliche Tage, und wäre am liebsten damals in England geblieben. Frau Clara Novello, die große englische Sängerin, sang die Sopranpartie, sie kam im folgenden Jahr nach Hamburg, um dort diesselbe auf dem Hamburger Musikfeste in deutscher Sprache zu wiederholen. Doch genug davon; zum Schluß nur die Erwähnung, daß eine Aufführung im Gewandhaus zu Leipzig unter meiner Direction die Veranlassung wurde, daß ich nach Bremen gelangte."

"Jephta" ist ein durchkomponiertes Oratorium, bei dem Reinthaler sich offensichtlich an Vorbildern bei Händel, Haydn und Mendelssohn orientierend, seinen eigenen Stil findet. Bei Durchsicht der Partitur fallen vor allem die vielen motivisch-thematischen Bezüge der Chöre auf, die durch das ganze Werk gehen. Dazu kommt eine offensichtliche Freude an tonmalerischen Effekten und eine rhythmische Vielfalt melodisch gleicher oder ähnlicher Passagen. Elemente der romantischen Musik wie eine reiche Harmonik, wechselnde Stimmkombinationen der Chorstimmen bis hin zu thematisch bedingten Doppelchören lassen klanglich immer wieder aufhorchen. Daneben legte auch Reinthaler größten Wert darauf, sich als Meister der Fuge vorzustellen. Mithin zeigt sich "Jephta" als ein Werk, das einen Vergleich mit anderen romantischen, geistlichen Chorwerken, etwa von Mendelssohn oder Berlioz, nicht zu scheuen braucht.

Konzert und Produktion von Reinthalers Jephta, anläßlich des 29. Internationalen Heinrich-Schütz-Festes, kann somit gleichsam als eine späte Huldigung an den bedeutendsten Musiker verstanden werden, der im 19. Jahrhundert in Bremen gelebt hat. Von 1857 bis 1887 wirkte er hier als städtischer Musikdirektor, Domorganist, Dirigent des Bremer Dom-Chores, der Singakademie und der Bremer Liedertafel.
1882 wurde Reinthaler als Mitglied in die Berliner Akademie berufen; 1888 nach seiner Pensionierung wurde ihm eine Professur verliehen.
Kaum zu verstehen ist, daß Reinthaler bei all seinen eigenen Kompositionen hauptsächlich durch sein Eintreten für Brahms bekannt geworden ist. Am 10.4.1868 führte er dessen Requiem im Dom auf. Brahms dankte ihm begeistert und bot ihm Duzfreundschaft an. Brahms war es auch, der Reinthaler bei Pressefehden und Intrigen half und immer wieder betonte, daß Reinthaler, "zumal ganz einsam im täglichen Kampf stehend, höchst ehrenswert selbstlos und fleißig gearbeitet" habe.

Das Philharmonische Staatsorchester Bremen blickt auf eine Tradition bis auf das Jahr 1792 zurück. Gemäß der Tradition der Zeit bildete es sich für repräsentative Aufgaben des Senats aus den Bremer Turmbläsern, den Mitgliedern der alten Ratsmusikantenkapellen und dem Hoboisten-Corps des Stadtmilitärs. Der Bremer Domorganist (1815) und städtische Musikdirektor (1832) W.F.Riem bildete 1820 das sogenannte "Bremer Concert-Orchester", das neben den Verpflichtungen am Theater vor allem "Privat-Concerte" mit besonderer Berücksichtigung der Weke von L.v.Beethoven durchführte. Schon damals entstand die Tradition der an Leipzig orientierten "Charfreitags-Concerte" im Bremer Dom, also gemeinsame Aufführungen großer geistlicher Chor-Orchester-Werke von Domchor und Bremischem Orchester. Nach 18## wurde auch Bremen Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der gemäßigten Romantik (Schumann, Brahms, Mendelssohn), die vor allem von Karl Martin Reinthaler gespielt wurden, und der neudeutschen Schule wie Wagner und Liszt, die hier vor allem von H.v.Bülow bekannt gemacht und schließlich durchgesetzt wurde.
DerTitel "Philharmonisches Staatsorchester" wurde den Bremern, zusammen mit staatlichen Subventionen, 1925 zuteil. Heute besteht der Klangkörper aus 99 Musikern, die pro Jahr etwa 6-7 Opern-Einstudierungen, die Philaharmonischen Konzerte, Jugendkonzerte, Rathauskonzerte und Konzerte mit Werken zeitgenössischer Komponisten spielen. Eigene staatliche Dirigenten hat das Orchester seit 194#, unter ihne Paul von Kempen, Heinz Wa##berg, Hans Wallat und seit 1978 Peter Schneider.

Der Bremer Domchor wurde 1856 vom damaligen Bremer Gesangslehrer H.Kur## gegründet. Gefördert von so namhaften Musikern wie:
Karl Reinthaler 1872 - 1893,
Eduard Nößler 1893 - 1930,
Richard Liesche 1930 - 1957,
Hans Heintze 1958 - 1975 und seit 1976 von Wolfgang Helbich, setzte sich der Domchor neben seinen lithurgischen Aufgaben besonders für die Pflege der geistlichen Konzerte und der Oratorien vor allem aus dem Barock bis hin zur Spätromantik ein.


Beim Klassik Label CPO erschien im November 2004 die Veröffentlichung einer 7 Jahre alten Aufnahme des JEPHTA

Jephta - Richard Salter (Bass)
Mirjam - Sabine Riggerbusch (Sopran)
Eine Maid - Waltraud Hoffmann-Mucher (Alt)
Ephraim - Jurgen Sacher (Tenor)
Eine Maid - Konstanze Maxsein (Sopran)
Prophet - Oliver Zwarg (Bass)
Bremer Domchor
Kammer Sinfonie Bremen
Leitung: Wolfgang Helbich
Recorded St. Petri Dom Bremen, 25-28 March 1997

erhältlich z.B. bei .  wo es auch Hörproben und eine kurze Besprechung gibt.

Schon im Folgemonat, am 2. Advent (05.12.2004), sendete  Radio Stephansdom Wien, die CD in der Serenata.


Libretto
Textzusammenfassung hier ...

I. Die Not der Kinder Israel

VOLK ISRAEL

Stehe auf Herr, erhebe dich wider den Grimm deiner Feinde! Sie zertreten dein Volk und plagen dein Erbe, stehe auf, erhebe dich wider den Grimm deiner Feinde.
Die Helden in Israel sind gefallen im Streit, sie liegen auf den Höhen erschlagen. Warum verstößest du uns und lässest uns zu Schanden werden?

PROPHET

So spricht der Herr: Haben euch nicht die Ägypter und Philister bezwungen, und ich half euch aus ihren Händen, da ihr zu mir schriet. Doch habt ihr mich verlassen und andern Göttern gedienet, und ihr seid fett und satt geworden und habt des Gottes Furcht vergessen, der euch gemacht hat, und den Fels eures Heils habt ihr gering geachtet! Gehet hin, schreiet die Götter an, die ihr erwählet habt! Laßt sie euch helfen zur Zeit eurer Trübsal. Ich will euch nicht mehr helfen, denn ihr habt meinen Bund verlassen und andern Göttern gedienet.

VOLK ISRAEL

Herr, wir haben gesündigt, denn wir haben unsern Gott verlassen.

ALT SOLO

Der Herr verstößt nicht ewiglich, mit unendlicher Gnade erbarmet er sich wieder. So wir ihn suchen von ganzem Herzen, wird er sich finden lassen.

PROPHET

So gehet hin, zerreißet eure Kleider und reinigt euch! Kommt vor das Angesicht des Herrn mit Gebet und Flehen!

VOLK ISRAEL

Herr, Gott, du allein bist der König von Israel, du allein unsre Zuflucht für und für!

PROPHET

Du kannst schlagen, du kannst heilen, du kannst töten und kannst lebendig machen; du führst in die Hölle und führest heraus.

VOLK ISRAEL

Herr, erbarme dich unser!

PROPHET

Das zerstoßene Rohr wirst du nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht nicht verlöschen. O, hilf deinem Volk und sei deinen Knechten gnädig! Herr, Gott Zebaoth, tröste uns, laß leuchten dein Angesicht, so genesen wir, du allein bist der König von Israel.

VOLK ISRAEL

Du allein bist der König von Israel, hilf deinem Volk!

 

II. Jephtas Erwählung

MIRJAM UND FRAUEN ISRAELS

Da Israel aus Ägypten zog, das Haus Jakob aus dem fremden Lande, da ward Juda sein Heiligtum, Israel seine Herrschaft. Das Meer sah es und floh, der Jordan wandte sich zurück, die Berge hüpften wie die Lämmer und die Hügel wie die jungen Schafe. Was war dir, du Meer, daß du flohest und du Jordan, daß du dich wandtest? Vor dem Herrn bebte die Erde, vor dem Herrn, dem Gotte Jakobs.

JEPHTA

Wie sollten wir des Herren Lied singen in fremdem Lande? Meine Brüder sinds, die mich hassen und haben mich ausgestoßen aus meines Vaters Hause. Nun hat sie Gott dahingegeben, daß sie beben unter der Feinde Hand. Aug um Aug, Zahn um Zahn; es tut ihnen der Herr, wie sie an mir getan. Sie hörten nicht die Stimme meines Rufens, sie trieben mich hinweg in wilder Wut vom Hause des Vaters, hinaus zur dürren Wüste, da kein Wasser war. Ich weinte, ich flehte, o, meine Brüder, laßt mich wohnen in der Hut des Herrn. Sie hörten nicht die Stimme meines Rufens. Meine Hilfe war ferne, der Herr hatte sein Angesicht verborgen. Da nahm ich meine Seele in meine Hand, ich floh hinaus aus der Verheißung Lande und bin nun hier ein Fremdling worden unter den Heiden.

MIRJAM

Laß meine Rede etwas vor dir gelten: Vergiß, mein Vater, was Übels dir geschehen. Der Herr sucht heim sein Volk durch schwere Gerichte: So neige dein Herz zu deinen Brüdern, die reuig sich zu ihm gewandt; hilf deinem Volk und laß den Grimm fahren, daß der Herr nicht Unglück über uns erwecke in unserm eignen Hause! Gesegnet wirst du sein, so du ausziehst zu deines Vaters Haus. Der Herr wird deine Feinde vor dir schlagen; durch einen Weg werden sie ausziehn wider dich, und durch sieben Wege vor dir fliehen; gesegnet wirst du sein, so du ausziehst, gesegnet wirst du sein, so du einziehst zu deines Vaters Haus.

DIE ÄLTESTEN ISRAELS

Jephta, in großer Trübsal kommen wir zu dir: Komm und hilf uns streiten!

JEPHTA

Seid ihrs nicht, die mich hassen und habt mich ausgestoßen aus meines Vaters Haus, und nun kommt ihr zu mir, weil ihr in Trübsal seid?

DIE ÄLTESTEN ISRAELS

Darum kommen wir wieder zu dir, daß du mit uns ziehest und seist unser Haupt über alle, die in Gilead wohnen.

JEPHTA

So ihr wollt, daß ich mit euch ziehe und euch die Feinde in eure Hände gebe, so macht mich zu eurem Haupt, und eurem Richter in Israel mein Leben lang.

DIE ÄLTESTEN ISRAELS

Der Herr sei Richter zwischen uns, wo wir nicht tun, wie du gesagt hast.

 

III. Der Kampf

DIE FEINDE ISRAELS

Wir eilen daher wie ein Adler flieget und reiten auf Rossen, gerüstet wider dich! Unsre Pfeile sind scharf und die Bogen gespannt, fliehet, hebt euch eilends davon!

QUARTETT

Stärket die müden Hände und erquickt die strauchelnden Knie, sagt den verzagenden Herzen: Seid getrost, fürchtet euch nicht!

JEPHTA

Der Morgen graut, der Tag bricht an. Auf, Krieger, waffnet euch zum Streite! Kämpft mutig im Gewühl der Schlacht! Wagt eure Seelen in den Tod! Vom Himmel wird wider die Feinde gestritten, die Sterne in ihren Läufen werden kämpfen wider sie, daß ihrer Rosse Füße beben unter dem Zagen ihrer mächtigen Reiter! Mein Schwert geht vor euch her, der Sieg wird unser sein!

DIE FEINDE ISRAELS

Auf, auf das ist der Tag, daß Baal die Feinde in unsre Hand gegeben.

VOLK ISRAEL

Verzage nicht, du kleine Schar, Gott ist mit dir, wird Sieg veleihn.

DIE FEINDE ISRAELS

Laßt uns das Schwert ausziehen und an ihnen kühlen unsern Mut. Auf, das ist der Tag in unsere Hand gegeben.

VOLK ISRAEL

Herr, die Feinde bedrängen uns, hilf uns im harten Streit. Weh! Laßt uns fliehn!

JEPHTA

Höre mich, Herr, gewaltiger Gott! Gibst du die Feinde heute noch in meine Hand: Was zu meiner Haustür heraus mir entgegengehet, wenn ich in Frieden wiederkehre, das soll des Herrn sein, und wills zum Brandopfer opfern! Die Stimme des Herrn ergehet mit Macht, die Stimme des Herrn erschreckt die Feinde. Er neiget den Himmel und führet herab. Sein Grimm verzehrt sie wie Stoppeln. Auf, Heer des Herrn, zum Siege!

VOLK ISRAEL

Auf, Heer des Herrn, zum Siege! Der Herr rüstet dich mit Stärke zum Streit. Er neiget den Himmel und fähret herab. Sein Grimm verzehrt sie wie Stoppeln.

 

IV. Der Sieg und das Leid

MIRJAM

Was betrübest du dich, meine Seele, und bist voll Unruh in mir? Harre auf Gott, ich werde ihm noch danken, daß er uns hilft mit seinem Angesicht. Ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich doch kein Unglück, denn Du bist bei mir, Du tröstest mich.

FRAUEN ISRAELS

Wohl auf, Tochter Jephta, mache dich auf und singe ein Lied, denn Israel ist frei geworden.

MIRJAM

Hat der Herr sein Volk erlöst, so nehmet Harfen und Psalter, gebet her die Cymbeln und gehen wir hinaus, dem Heer entgegen.

DIE HEIMKEHRENDEN KRIEGER

Singet dem Herrn mit Saitenspiel und Harfen, singet dem Herrn mit fröhlichem Schall! Seine Rechte tut große Wunder, seine Hand hat die Feinde geschlagen.

FRAUEN ISRAELS

Zion, höre den Siegesgesang, und die Töchter Juda sind fröhlich. Seine Rechte tut große Wunder, sie hat zerschmettert den Feind.

MIRJAM

Wie die Sonne aufgeht in ihrer Macht, also müssen sein, die den Herren liebhaben. Er leitet mit Barmherzigkeit sein Volk, das er erlöset hat und führet sie hinein zu seiner heil'gen Wohnung.

JEPHTA

Ach, meine Tochter, wie beugst du mich und betrübest mich! Ich habe meinen Mund aufgetan gegen den Herrn und kanns nicht widerrufen. Wehe mir! Warum bin ich geboren und habe sie auferzogen, daß der Herr an diesem Tag mir solches tut! Er führet seine Hand aus wie ein Feind und erwürget, was lieblich anzusehn.

MIRJAM

Was sagst du, mein Vater?

JEPHTA

Ich habe meinen Mund aufgetan gegen den Herrn und gesagt: Was zu meiner Haustür heraus mir entgegengehet, wenn ich in Frieden wiederkehre, das soll des Herrn sein und wills zum Brandopfer opfern. Ich hab' es gesagt, ich hab' es gelobt, und kanns nicht widerrufen. Wehe!
Wehe mir! Das meine Seele stürbe. Der Herr hat mich voll Jammer gemacht am Tage des Gerichts und der Vergeltung. Wehe mir, meine Tochter, ach, wie beugst du mich und betrübest mich! Du, mein einziges Kind

VOLK ISRAEL

Herr, wer kann vor dir bestehn, wenn du das Urteil sprichst! Du nimmst den Fürsten den Mut und bist erschrecklich unter den Königen auf Erden, du bist erschrecklich, du allein bist der Herr!

MIRJAM

Mein Vater, hast du deinen Mund aufgetan gegen den Herrn, so tue, wie du dem Herrn gelobet hast; das wollest du mir tun, daß du mich von hinnen lassest, daß ich noch einmal gehe hinauf zu den Bergen und weine, meine Jugend beweine mit meinen Gespielen.

JEPHTA

Gehe hin!

TERZETT (2. Sopran: Christine Fischer-Knauer)

Herrlich stehen die Berge, die Blumen blühen auf im Tale. Lenz ist herbeigekommen, die Rose gibt süßen Duft. Schön ist des Tages Glanz, lieblich des Abends Kühle, herrlich stehn die Berge, die Blumen blühen auf im Tale, Lenz ist herbeigekommen, die Rose gibt süßen Duft.

FRAUEN ISRAELS

Unsre Augen fließen mit Wasserbächen, unser Reihentanz ist in Wehklagen verkehret.

MIRJAM

Was weinet ihr so sehr und brechet mir mein Herz? Ob auch die Schatten des Todes mich umfangen werden, ich bin des Herren Magd, und der Tod der Gerechten ist wert vor ihm, und der Tod der Gerechten ist wert gehalten vor ihm.

VOLK ISRAEL

Gott, du bist mein Gott, deine Güte ist besser denn Leben, denn du bist mein Gott, deine Güte ist besser denn Leben.

 

V. Die Entscheidung

EPHRAIM, EIN JUNGER KRIEGER

Wie, Mirjam soll sterben, geopfert am Altare! Sie soll hinab in die Grube fahren durch grausames Gelübde? Daß der Herr seinen Arm ausreckte und verzehrte die Hand mit Feuer, die solches tut! Lieblich und schön wie die Rose im Tal, ihr Auge hell wie Himmels Glanz, kam sie herab von des Berges Höh, mit frohem Reigen den Vater zu grüßen. Und wie der Vögel süßer Gesang tönte ihr Lied. Und sie sollte sterben in Jugendschöne und sie sollte fallen wie Gras des Frühlings. Ihr Berge von Gilboa und ihr Hügel umher, es müsse weder tauen noch regnen auf euch, wo solche Tat geschieht! Ihr Söhne Israels, die ihr euch nicht beugt vor Jephtas Übermut, es ist ein Greuel vor dem Herrn, unschuldig Blut zu vergießen.

VOLK ISRAEL

Es ist ein Greuel vor dem Herrn, unschuldig Blut zu vergießen.

EPHRAIM

Wohlan! Er macht's zuviel in der Gemeinde und herrscht mit Gewalt über uns; wir woll'n ihn überfallen, wenn er beim Opfer ist; wenn ich ihn dann erschrecke, und alles Volk fleucht, so wollen wir ihn schlagen! Die Hand des Herrn hat ihn verworfen, die Hand des Herrn ist mit uns.

VOLK ISRAEL

Die Hand des Herrn hat ihn verworfen, die Hand des Herrn ist mit uns.

JEPHTA

Herr, es ist Nacht um mich, alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mein Haupt. Die Menschen setzen sich wider mich und du schlägst mich mit Unbarmherzigkeit. Hätte ich deiner gedacht in den Tagen des Sieges und nicht vertraut auf meines Armes Stärke, so läge deine Hand nicht so schwer auf mir! Ist sie nicht mein Fleisch und mein Blut, die Tochter, die meiner Augen Trost war! Warum hast du sie ersehen, ein Lamm zum Opfertod! Sieh, Herr, du hast sie mir gegeben, sie geht dahin, du bist der Herr! Doch aus der Tiefe rufe ich zu dir: Sieh an das Elend deines Knechtes, und wie du dich Abrahams erbarmet hast, so tu auch mir nach deiner großen Barmherzigkeit und deiner großen Güte.

VOLK ISRAEL

Wenn wir rufen zu dir, wollest du hören im Himmel und deinem Volke gnädig sein. Sie geht dahin wie ein Lamm, das zum Tode geführet wird, ohne Klage.

MIRJAM

Leb wohl, o Vater, lebt wohl, ihr Gespielen, ich sterbe gern, dem Herrn geheiligt, ein Opfer für mein Volk.

VOLK ISRAEL

Wenn wir rufen zu dir, wollest du hören im Himmel und deinem Volke gnädig sein.

EPHRAIM UND DIE KRIEGER

All herbei, schlaget zu und fürchtet euch nicht, und schüttelt ab sein Joch von euch. Die Hand des Herrn hat Jephta verworfen, die Hand des Herrn hat ihn verworfen.

VOLK ISRAEL

Die mit dem Herrn hadern, müssen zugrunde gehn, über ihnen wird er donnern im Himmel. Wehe uns! Die Stimme des Herrn ergehet mit Brausen, die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern des Libanon. Dampf fähret auf von seinem Odem, und zehrendes Feuer von seinem Munde. Die Erde bebte und ward bewegt, der Berge Festen regen sich. Der Herr! Wehe uns!

PROPHET

So spricht der Herr: Wer sind, die so fehlen in der Weisheit und reden so mit Unverstand?. Jephta, lege deine Hand nicht an deine Tochter, heilige sie mit dem Herrn!

JEPHTA

Dank sei dir Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Güte und Treue, der du bewahrest Gnade in tausend Glied und vergibst Übertretung und Sünde, vor welchem niemand unschuldig ist, habe ich Gnade vor deinen Augen gefunden.

VOLK ISRAEL, MIRJAM UND JEPHTA

Dank sei dir Gott, barmherzig und gnädig. Dank sei dir Gott, Dank von großer Güte und Treue.

JEPHTA

O meine Tochter, du wirst nicht sterben.

VOLK ISRAEL

Laßt uns singen von der Gnade des Herrn! Die seiner harren, erhalten neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie wandeln und nicht müde werden, daß sie streiten und nicht müde werden, hallelujah. Des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Hallelujah!

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Bilder

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  Ausführende

Jephta: Phillip Langshaw (Baß)
Miriam: Ulrike Heyse (Sopran)
Alt: Carolin Masur 
Prohet/junger Krieger: Cenonas Zemaitis (Tenor)

Orchester des Landestheaters Coburg

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Pressestimmen

"Neue Presse" Coburg - 8. Oktober 1996

               

Rudolf Potyra

Mit der Aufführung von Carl Martin Reinthalers "Jephta und seine Tochter" setzten Leopold Schindler und der Konzertchor Sängerkranz am Sonntag ihre hochbedeutende und musikalisch kaum zu überschätzende Reihe von Aufführungen selten zu hörender romantischer Oratorien in der - nicht ganz voll besetzten - Morizkirche fort. Dirigenten, Solisten, Chor und Orchester wurden am Ende der eindrucksvollen Interpretation dieses nahezu vergessenes Werkes begeistert gefeiert.

Den Namen Reinthaler sucht man in den meisten gängigen Nachschlagewerken vergeblich. Der 1822 in Erfurt geborene Komponist studierte zunächst Theologie. Doch dann widmete er sich ganz der Musik. Nach Studien in Paris und Rom sowie einer Lehrtätigkeit am Kölner Konservatorium bekommt er 1858 die Stelle seines Lebens: Er wird - bis 1887 - Städtischer Musikdirektor, Domorganist, Domchorregent und Dirigent von Singakademie und Liedertafel in Bremen und damit musikalisch dominierende Persönlichkeit in der Hansestadt. Das brachte ihm hohe Ehren, aber auch Kritik ein, da er als Wagner-Gegner unnachgiebig Aufführungen von dessen Werken in Bremen verhinderte. 1896 starb er.

Den Stoff zu "Jephta" hat Reinthaler dem alttestamentlichen Buch der Richter entnommen. Jephta, ein "starker Kriegsmann", war der Sohn einer Dirne und wurde deshalb von seinem Volke verstoßen. Als das Volk Israel, vom Wohlstand "fett und satt" geworden, von seinem Gott Jahwe abfiel, wurde es dafür bestraft und von den Ammonitern hart bedrängt. In seiner Not rief es Jephta zu Hilfe. Dieser stellte seine Bedingungen und tat darüber hinaus noch einen verhängnisvollen und grausamen Schwur: Es "soll, wer zuerst aus der Tür meines Hauses mir entgegenkommt, wenn ich als Sieger heimkehre,... Jahwe gehören und ich will ihn als Brandopfer darbringen." Als erste tritt ihm seine Tochter - bei Reinthaler Miriam genannt - entgegen. Damit ist die tragisch-dramatische Situation gegeben, die den Kern des Oratoriums bildet.

Blutopfer wird abgewendet

Im biblischen Bericht wird das Opfer vollzogen. Bei Georg Friedrich Händel, der als sein letztes biblisches Oratorium auch einen "Jephta" schrieb und der das große Vorbild Reinthalers war, verhindert ein Engel die Bluttat. Bei Reinthaler bringt ein Prophet die Wende zum menschlich Tragbaren: "Jephta, lege deine Hand nicht an deine Tochter; heilige sie dem Herrn!"

Reinthaler hat den Text zu seinem Oratorium - unter Benutzung zahlreicher Bibelstellen - selbst zusammengestellt. Er hat Nebenpersonen und Seitenhandlungen eliminiert und sich konsequent auf den Hauptstrang des Geschehens konzentriert.

Musikalisch ist Reinthaler ganz der Romantik verpflichtet. Mit meisterhafter Instrumentation und treffenden themischen Einfällen entwickelt er Wohlklang in Fülle und rhythmische Vielfalt. Daß er auch als Meister gründlich studiert hat, zeigen zahlreiche Fugen, auch wenn eine (Nummer 25) mal recht trocken und schulmäßig klingt.

Unter Carl Reinecke kam das Oratorium in Elberfeld zur Uraufführung, wurde mehrfach in Deutschland gegeben und drang sogar bis England vor.

Hauptakteur in "Jephta" ist der Chor. Von den insgesamt 34 Nummern hat er 19 allein oder gemeinsam mit Solisten zu bestreiten. An ihn werden sehr hohe Anforderungen an rhythmische Wendigkeit und Schlagkraft gestellt. Dynamisch wird er - vor allem im fortwährenden Kampfgetümmel der ersten Hälfte - bis an die Grenzen des Möglichen und noch Klingenden geführt. Daß er auch ausdrucksvoll singen konnte und durfte, zeigten die Nummer 32 ("Dank sei dir", zusammen mit Jephta) und Nr.24 (Frauenchor "Unsere Augen fließen"). Dem Chor gebührt in erster Linie der Lorbeer unter den Mitwirkenden.

Unter den Solisten der Coburger Aufführung, war die herausragende Figur Phillip Langshaw als Jephta. Da er diese Partie bereits bei der CD-Einspielung (? - der webaster) gesungen hat, hatte er sie "voll drauf". Eindringlich und verinnerlicht gestaltete er mit seinem voluminösen und modulationsfähigen Baß. Es waren Höhepunkte, die er in Nr.21 ("Weh mir"),  27 ("Herr, es ist Nacht") und 32 ("Dank sei dir, Gott) erreichte.

Ulrike Heyse war für Barbara Schlick eingesprungen

Die zweite große Partie lag bei Ulrike Heyse als Jephtas Tochter Miriam. Sie war kurzfristig für die erkrankte Barbara Schlick eingesprungen. Nach einem verhaltenen Anfang konnte sie sich von ihrem zweiten Auftritt an frei entfalten. Einen Höhepunkt bildete die Nr. 24 ("Was weinet ihr so sehr") gemeinsam mit dem Frauenchor.

In einer nur kleinen, aber vom ersten Ton an klang- und ausdrucksvoll gesungenen Partie hörte man Carolin Masur.

Fast ebensowenig hatte der Tenor Cenonas Zemaitis zu singen, der zwar mit einer hellen und klaren Stimme aufwarten konnte, dessen Intonation aber nervös wirkte. Erst in seinem letzten Auftritt konnte er durch eine dramatisch-gespannte Gestaltung voll überzeugen.

Entfesseltes Blech, vorzügliche Streicher

Als instrumentalen Partner hatte man das Orchester des Landestheaters Coburg verpflichtet. Im bereits erwähnten Kampfgetümmel der ersten Hälfte warfen die entfesselten Blechbläser ihre volle Kampfkraft in die Schlacht. Es war wohltuend, als - vor allem im zweiten Teil - auch gelegentlich die vorzüglich aufspielenden Streicher und Holzbläser in den Mittelpunkt rückten.

Leopold Schindler war vom ersten bis zum letzten Takt ein souverän gestaltender Leiter, dem sowohl für die Werkwahl wie für die Aufführung uneingeschränkte Anerkennung gebührt. Er wurde mit besonders nachdrücklichem Beifall - vor allem aus jungen Kehlen - gefeiert.

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"Coburger Tageblatt"  - 8. Oktober 1996

Hans Höfer

Duplizität der Ereignisse: Vor gut einer Woche übertrug der Bayerische Rundfunk im 100. Todesjahr von Carl Martin Reinthaler dessen Oratorium "Jephta und seine Tochter" nach einem Livemitschnitt von 1984 aus dem Dom zu Bremen. Unter Leitung von Leopold Schindler fand vergangenen Sonntag die Coburger Erstaufführung des in Vergessenheit geratenen Werkes in St. Moriz statt. Die Titelpartie sang in Bremen und Coburg der Bassist Phillip Langshaw. Die anderen Solopartien gestalteten in St. Moriz Ulrike Heyse (Sopran), Carolin Masur (Alt) und Cenonas Zemaitis (Tenor), den Chorpart der "Sängerkranz", es spielte das Orchester des Landestheaters Coburg.

Neben den ebenfalls vergessenen Opern "Edda" und "Käthchen von Heilbronn" ist "Jephta", dessen Tochter Mirjam ein Pendant zu Iphigenie bildet, das Hauptwerk Reinthalers, der in Erfurt geboren wurde und in Bremen sich den Ruf eines "Musikpapstes" erwarb, wo er auch das "Deutsche Requiem" von Brahms zur Uraufführung brachte. In der Geschichte aus dem Buch der Richter im Alten Testament knüpft der Komponist inhaltlich und formal bei Händel, harmonisch bei Medelssohn-Bartholdy und musikdramatisch bei Wagner an.

Nach der feierlich getragenen orchestralen Einstimmung sang der Chor gemessen und trotzig von der Not der Kinder Israel und beendete das Oratorium mit einem fugengekrönten festlichen Hymnus, nachdem er den Löwenanteil des vokalen Parts zu bestreiten hatte. In harter Probenarbeit erschlossen sich Leopold Schindler und der Konzertchor die oft sperrigen, nicht leicht eingängigen und polyphon dicht verzahnten Chorsätze, und die knapp 100 Sängerinnen und Sänger brachten die wechselnden von Verzweiflung, Hilferufen, Kampfgetümmel, Siegestaumel, Wehklagen, Ergebenheit, Anflehen und Gotteslob ausdrucksvoll zur Geltung. Die Frauenchöre gerieten klangvoll und transparent, bei den Männerchören konnte die personelle Unterlegenheit durch die Einbeziehung der Altstimmen geschickt kaschiert werden. Sowohl die jeweiligen Schlußfugen als auch die bis zur Achtstimmigkeit erweiterten Doppelchöre wurden mit Bravour gestaltet.

Der australische Bassist Phillip Langshaw meisterte die mörderische Partie des Jephta ohne die geringsten Ermüdungserscheinungen. Ob mit Stentorstimme oder lyrisch gefühlvoll, er wurde allen Stimmungen gerecht und sang mit einer in allen Lagen voll ansprechenden Stimme in vorbildlicher Artikulation. Eine phänomenale Leistung vollbrachte die kurzfristig eingesprungene Ulrike E. Heyse mit der diffizilen Rolle der Tochter Mirjam, die sie innerhalb von drei Tagen studieren mußte. Und wie! Bombensicher, mit strahlender Höhe und hellem Timbre überzeugte sie in dem umfangreichen Part, wobei "Was betrübest du mich, meine Seele" große Verinnerlichung verströmte.

Solistisch hat Reinthaler dem Alt nur eine Cavatine zugeordnet und diese Stimmlage recht stiefmütterlich behandelt. Carolin Masur bot "Der Herr verstößt nicht ewiglich" dunkel und warm timbriert und großbögig arios. Nicht nur wegen einer Indisposition hinterließ der litauische Tenor Cenonas Zemaitis als Prophet und Ephraim einen zwiespältigen Eindruck. Da wurde oft nach oben gestemmt, nachlässig artikuliert und intoniert, doch behauptete er sich kraftvoll und prononciert gegen die Orchesterfluten. Wegen der tenoralen Eigenwilligkeiten erreichte das Quartett "Stärket die müden Hände" nicht die letzte Homogenität, dagegen wurde das Terzett "Herrlich stehen die Berge" ein Pendent zu Mendelssohns "Hebe deine Augen auf", von Ulrike Heyse, Christine Fischer-Knauer (2.Sopran) und Carolin Masur liebreizend dargeboten.

Nachhaltigen Eindruck hinterließ das Landestheaterorchester. Reinthaler begnügte sich bei der "Jephta"-Komposition nicht um eine reine Begleitung für die Vokalisten, sondern schuf eine selbständige riesige sinfonische Dichtung mit vielen tonmalerischen Passagen und dramatischen Effekten bei den Accompagnato-Rezitativen. Diesen riesigen Part meisterten die Instrumentalisten in Klangschönheit, Transparenz, differenzierter Dynamik, Gestaltungskraft und Präzision.

Zweieinhalb Stunden stand Leopold Schindler am Pult wie ein Lotse in der Brandung und steuerte Reinthalers navigatorisch nicht leicht zu handhabendes Schiff "Jephta" souverän und in ruhiger Gelassenheit durch alle Klippen der umfangreichen Partitur, so daß am Ende reicher Beifall für eine mutige und bemerkenswerte Oratorienaufführung und -ausgrabung gespendet wurde.


Die nächsten beiden bekannt gewordenen Aufführung des JEPHTA verdanken wir dem Stadttheater Gießen in 2001:
 

Stadtheater Gießen - Großes Haus
27.11.2001
 

  Stadthalle Wetzlar
28.11.2001
 

Wetzlarer Singakademie e.V.
Chor des Konzertvereins Gießen e.V.
Chor des Stadttheaters Gießen
Giessener Philharmoniker
Solisten des Stadttheater Gießen

Leitung: Jan Hoffmann
 


In 2006 folgte Bielefeld:

Donnerstag, 8. Juni 2006, 20 Uhr, Rudolf-Oetker-Halle
Drittes Saisonkonzert
des Musikvereins der Stadt Bielefeld e.V.


Sabine Ritterbusch, Sopran
Waltraud Hoffmann-Mucher, Alt
Jürgen Sacher, Tenor
Armin Kolarczyk, Bass
Chor des Musikvereins und Philharmonisches Orcehster der Stadt Bielefeld
Einstudierung: Martin Fugmann

Leitung: Wolfgang Helbich
(oder hier ...)

Quelle: http://www.monokel.eu/archiv/Monokel 64.pdf


2007 erinnerte sich Erfurt mit dem JEPHTA an einen seiner bekanntesten Komponisten

(Vier aktive und ehemalige Sängerkränzler flohen vor dem Sambafestival und 35 Grad im Schatten in die Kühle der Augustiner-Kirche Erfurt. Sie ließen es sich nicht nehmen, dieses heute nur noch selten aufgeführte Werk einmal live zu erleben. Es war die Reise wert! Dank an Dietrich Ehrenwert und die Augustiner-Kantorei für dieses Erlebnis.)

Augustinerkirche Erfurt
Samstag | 14.7.2007 | 19:30 Uhr


Erfurter Wiederaufführung
des im Augustinerkloster geborenen Komponisten nach 110 Jahren


Eleonore Marguerre - Sopran
Karin Neubauer - Sopran
Christiane Bassek - Alt
Uwe Stickert - Tenor
Frank Schiller - Bass
Augustiner-Kantorei
Mitteldeutsches Kammerorchester


Leitung: Dietrich Ehrenwerth
 

In der Vorbesprechung schrieb Kathrin Schanze:
(Quelle: Homepage der Predigerkirche Erfurt)

"Carl Reinthalers „Jephta“ - Erfurt erinnert sich am 14. Juli 2007 eines vergessenen Sohnes

„Stehe auf, Herr, erhebe Dich…“ Die ersten Takte des Oratoriums „Jephta und seine Tochter“ erklingen. Am Dirigentenpult steht sein Komponist, der Königliche Musikdirektor Carl Reinthaler. Wir befinden uns im „grossen Theatersaale“ in Erfurt und schreiben das Jahr 1856, den 14. Oktober.
Wenn am 14. Juli dieses Jahres eben jene Takte von Reinthalers Oratorium in der Augustinerkirche wieder erklingen, hat Erfurt einen Sohn seiner Stadt wieder entdeckt. Hier nämlich wurde jener Carl Martin Reinthaler am 13. Oktober 1822 geboren – und zwar im Augustinerkloster. Als erster Sprössling Wilhelm Reinthalers, der eben da den berühmten Martinsstift für verwahrloste Kinder gegründet hatte. Carls Weg zur Musik war nicht eben auf Rosen gebettet: Der spätere Komponist hatte auf das Geheiß des Vaters erst Pfarrer zu werden, wiewohl sich im 7. Semester Theologie „die Stimme seines Genius mit Macht geltend machte“, wie Bruder Paul Reinthaler sich später erinnerte.
Über die deutschen Landesgrenzen hinaus geltend machte sich insbesondere Carl Reinthalers allererstes großes Werk: das Oratorium „Jephta und seine Tochter“. 1855 uraufgeführt, gehörte das Stück bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zum Repertoire jeder besseren Chorvereinigung. Immer wieder gelang es Chor und Orchester, so schreibt ein Musikkritiker 1857, „die Stimmung des Publicums so für sich zu gewinnen, dass dadurch dem Verfasser ein binnen kurzem weit verbreiteter Ruf begründet worden ist.“ Erzählt wird in Reinthalers Oratorium dramatisch, pathetisch wie auch romantisch die alttestamentarische Geschichte von Jeptha, dem Heerführer gegen die Ammoniter. Er hatte Gott für den Fall eines geschenkten Sieges zu opfern gelobt, was ihm bei seiner Rückkehr als erstes begegnet. Es sollte seine einzige Tochter sein…
Vor Jahren war es zunächst das Textbuch, auf das Landeskirchenmusikdirektor Dietrich Ehrenwerth stieß – im Internet. „Danach hab` ich dann mal einen Klangeindruck gehabt und war hin- und hergerissen.“ In Bremen, wo Reinthaler bis fast zu seinem Tode 1893 als Domkantor wirkte, war das Stück 1979 nach beinahe 100-jährigem Dornröschenschlaf wieder zum Leben erweckt worden.
Nun also, auch hier mit über 100 Jahren Abstand, erneut Erfurt. Wird mit dem Sohn sein einstiger Erfolg zurückkehren? „Ich glaube schon, dass der ´Jephta` gut ankommt“, ist Dietrich Ehrenwerth mittlerweile überzeugt. „Man muss ihn ein bisschen mit den Ohren des 19. Jahrhunderts hören, mit allen Emotionen, die diese Zeit so bereit hält.“
Nicht von ungefähr begann Kantor Ehrenwerth mit den Chor- und Orchesterproben bereits im Januar. „Das Ganze ist nicht unanspruchsvoll. Gerade für`s Orchester spielt es sich teilweise doch ziemlich haarig. Für Laienspieler ist es schlicht zu schwer.“ Die Besetzung ist bis auf die bewährten Solisten und die Augustinerkantorei daher eine außergewöhnliche: Zu Gast sein werden bei der neuerlichen Erfurter Aufführung in der Augustinerkirche auch Musiker aus dem Leipziger Gewandhaus, von der Staatskapelle Weimar und vom MDR – gewissermaßen als Taufpaten einer musikalischen Wiedergeburt. „Es gibt unheimlich viel Klassik, die kaum noch wahr genommen wird“, macht Dietrich Ehrenwerth schon jetzt neugierig auf weitere Schätze der „un-erhörten Art“, die er gern der Vergessenheit entreißen würde…
„Lasst uns singen“, so wird am 14. Juli der Schlusschor in Reinthalers „Jephta“-Oratorium erklingen, genau so, wie man ihn auch am 14. Oktober 1856 sang. „Lasst uns singen von der Gnade des Herrn. Die seiner harren, erhalten neue Kraft.“

Und im Programmheft zum Konzert erfährt man dankenswerterweise mehr über den Komponisten und seine Beziehungen zu Erfurt::

Carl Martin Reinthaler wurde am 13. Oktober 1822 im Erfurter Augustinerkloster geboren. Sein Vater, Karl Christian Wilhelm Reinthaler, hatte Theologie studiert und - inspiriert durch die Bekanntschaft mit dem Weimarer Theologen Johannes Falk - in Erfurt die "Gesellschaft der Freunde in der Not" gegründet mit dem Ziel, sich der Erziehung armer und elternloser Kinder zu widmen. Ein sogenanntes Rettungshaus, das "Martinsstift" wurde am 10. November 1821 (Martini!) im Südflügel des Augustinerklosters errichtet. Außerdem heiratete er am selben Tag auch Dorothea Dufft, die Tochter des Erfurter Bürgermeisters.

Ein knappes Jahr später wurde der Sohn Carl Martin geboren, der zusammen mit seinen sieben Geschwistern "in monastischer Strenge" im Gelände des Augustinerklosters aufwuchs. Seine musikalische Ausbildung erhielt er bei August Gottfried Ritter, begann auf Drängen des Vaters 1841 in Berlin Theologie zu studieren (seine zum Examen gehörende Predigt hielt er in der Augustinerkirche) und anschließend Musik bei Adolf Bernhard Marx. In diesen Jahren sang er in der Berliner Singakademie mit, dem in Deutschland führenden Chor seiner Zeit, und lernte so das gängige Oratorienrepertoire kennen. Ende der vierziger Jahre trat Reinthaler zunehmend als Liedkomponist und Sänger in Erscheinung. Nachdem der Berliner Domchor einige Psalmkompositionen Reinthalers in sein Repertoire aufgenommen hatte, wurde der Preußische König Friedrich Wilhelm IV. auf Rheintaler aufmerksam und ermöglichte ihm zwischen 1849 und 1852 einen Studienaufenthalt in Paris und Rom. Die italienische Landschaft inspirierte Reinthaler, auf die Suche nach dem Stoff für ein Oratorium zu gehen, welchen er in der Jephta-Geschichte fand. Das Libretto erstellt er selbst.

Von 1853-1857 wirkte er als Lehrer am Kölner Konservatorium. Inzwischen war er auch durch die Studienaufenthalte und die Rheinischen Musikfeste mit vielen führenden Komponisten und Musikern bekannt, bzw. befreundet, u.a. mit Chopin, Liszt, Berlioz, Meyerbeer, Rossini, Cherubini, Hiller, Schumann, Wagner und Mendelssohn.

In diesen Jahren vollendete Reinthaler das Oratorium "Jephta und seine Tochter". Die Uraufführung fand am 5. Mai 1855 unter Leitung von Carl Reinecke in Elberfeld statt. Bereits im April 1856 wurde es in London aufgeführt, später u.a. auch in Aachen, Bremen, Köln, Düsseldorf, Göttingen, Leipzig, Hamburg, Lübeck, Wismar und Rotterdam. Am 14. Oktober 1856 dirigierte Reinthaler sein Werk erstmalig in Erfurt "zur Feier des allerhöchsten Geburtstagsfestes Sr. Majestät des Königs", dem er das Werk gewidmet hatte. lm Gegenzug ernannte ihn der König zum Königlichen Musikdirektor. 1857 wurde das Oratorium bei Breitkopf & Härtel gedruckt. Zweifellos ist Reinthaler mit diesem Werk ein großer Wurf gelungen, besonders da er vorher ausschließlich kleinere Formen wie Lieder und a-cappella-Psalmen komponiert hatte.

In Erfurt wurde der "Jephta" durch die Musikvereine nochmals 1873, 1884 und zuletzt 1897 aufgeführt. Die Wiederentdeckung des Oratoriums begann in Bremen im Jahre 1979, nachdem Domkantor Wolfgang Helbig im Notenarchiv einen Klavierauszug aufgefunden hatte. Es folgten außer in Bremen einige wenige Aufführungen in Coburg, Wetzlar und Bielefeld.

Ab 1857 prägte Rheintaler als Domorganist, Leiter der Singacademie und der Privat-Concerte, später auch als Leiter des Domchores und als Gesangslehrer das musikalische Leben der Stadt Bremen. 1859 wurde er zum städtischen Musikdirector ernannt. 1860 fand unter seiner Leitung die Bremer Erstaufführung der Bachschen Matthäus-Passion statt. 1861 heiratete er die 2O-jährige Bremer Bürgerstochter Susanne Charlotte Bredekamp. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.

Reinthaler war aber auch weiterhin als Komponist tätig: Er gab ein Choralbuch mit 200 Sätzen heraus, vollendete seine Sinfonie D-Dur, op. 12, und mehrere Ouvertüren. 1863 wurde ein von ihm anlässlich des 50. Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig komponiertes deutsches "Te Deum" in einem Festgottesdienst im Bremer Dom von über 300 Sängern und Instrumentalisten aufgeführt.

Mit Johannes Brahms verband Reinthaler viele Jahre eine herzliche Freundschaft. 1868 studierte er mit der Singacademie die Urfassung des Deutschen Requiems von Johannes Brahms ein, am Karfreitag leitete Brahms selbst die Uraufführung im Bremer Dom. Noch einmal gelang dem Komponisten Reinthaler ein großer Erfolg als er einen von der Stadt Düsseldorf ausgelobten Wettbewerb zu Ehren Bismarcks gewann und für seine "Bismarck-Hymne" ein Preisgeld von 1000 Thalern erhielt. Der Text schlägt einen für unsere Zeit befremdlichen deutsch-nationalen und heroisierenden Ton an. Auch seine Oper "Käthchen von Heilbronn" wurde an vielen deutschen Opernhäusern gespielt.

Die letzten Lebensjahre waren geprägt von dem Streit mit den Vertretern der Neudeutschen Schule (Liszt, Wagner u.a.) und internen Bremer Auseinandersetzungen verschiedenster Art. lm Februar 1896 starb Reinthaler in Bremen.

Ebenfalls im Programmheft geht Pröpstin Elfriede Begrich näher auf Reinthaler und den JEPHTA Stoff ein:

Eine biblische Besinnung zum Werk Carl Martin Reinthalers

Ja, so hätten wir es gern, wie Carl Martin Reinthaler die Geschichte enden lässt: verantwortliche Menschen, fromme und couragierte Zeugen der Gnade Gottes, die im letzten Moment eingreifen, das Schlimmste verhindern. den Bösen überfällt die Reue und am Ende stimmt das Volk das große Halleluja an. Aber die Welt ist nicht so. Und die Menschen in ihr auch nicht. Jedenfalls sind sie nicht genug, Mord, Opfer und Unheil zu wehren. Jephta opfert seine Tochter seinem Gott, der nie ein solches Opfer von ihm verlangt hat; hatte ER selbst doch Menschenopfer von Beginn an seinem Volk Israel verboten. Kinderopfer, ein böses Phänomen archaischer Zeit?

Heute werden Kinder geopfert der Prostitution in Bangladesch, der Sklaverei in Sri Lanka. Verhungernde Kinder in Afrika und tiefgefroren in der Kühltruhe hierzulande, verdurstet in Sömmerda, verscharrt in Blumenkästen und aufgefunden in Müllsäcken.

Also nicht zu schnell die Unmenschlichkeit an längst vergangenen Zeiten festmachen, die kriegslüsternen Moabiter und Aramäer und Judäer als vorchristliche Barbarei verurteilen; dabei vergessend, dass die größte Unmenschlichkeit aller Zeiten von einem "Christen" in Brand gesetzt wurde, der bis heute nicht exkommuniziert ist. Die Erzählung von Jephta und seiner Tochter ist beängstigend. Sie ist so beängstigend, dass ich mir wünschte, sie könnte aus der Heiligen Schrift verbannt werden. Aber sie kann es nicht. Sie steht da - im Buch der Richter in 2 Kapiteln (11 und 12), in 47 Versen erzählt. Eine Episode, die Dunkelheit hervorbringt und in der Vergangenheit begraben liegt und doch immer wieder aufersteht, nicht zur Ruhe kommt. Ein Vater opfert seine Tochter:

Agamemnon führte die blühende Iphigenie vor den Altar der Artemis. Kalchas, der Priester flehte die Göttin um das Gelingen der Trojafahrt an und die Annahme dieses Opfers. Er erhob den tödlichen Stahl, da - wurde die Opferstätte von Nebel umhüllt, und als dieser sich verzogen hatten, lag eine Hirschkuh auf dem Altar. Anders das Geschick Antigones, die ihren Bruder beerdigt, wieder und wieder trotz des Befehls des Königs, dass des Tode ist, wer dies tut. Einmal entdecken die Wächter die Täterin und bringen sie vor den König. Antigone spricht das berühmte Wort: "Nicht um zu hassen, um zu lieben, bin ich da."Der Chor singt: "Viel gibt es des Ungeheuren. Doch nichts ist Ungeheurer als der Mensch." Antigone geopfert der Staatsräson.

Zurück zu Jephta, dem Richter in Israel, eine Erzählung von Grausamkeit und Reue, von Einsamkeit und Unglück. Die Fakten sind schnell erzählt:
Es ist die Zeit nach der Landnahme und vor der Staatengründung. Zeit zwischen Anarchie und Monarchie, zwischen dem Wissen, GOTT ist König und dem Begehren, einen König haben zu wollen wie alle Stadtstaaten herum: Moabiter, Edomiter, Perisiter, Jebusiter, Ammoniter... Es ist eine der schwächsten Zeiten in der jüdischen Geschichte. Unter Mose fand das Volk seine jüdische Identität, unter dem Nachfolger Josua eroberte es sein Land. Nun beginnt die Generation der Richter, deren gab es zwölf, sie umgreift den Zeitraum von ca 1200-1012v.Chr., bevor mit dem ersten König Saul die Monarchie in Israel beginnt. Die Zeit der Richter ist die Zeit des Niedergangs, königslose Zeit und beschreibt den Weg von der Theokratie über die Anarchie zur Monarchie. Diese ist dabei das kleinere Übel, eine Geschichte im Scheitern und immer wieder erfolgter Gnade: Auf den Abfall von Gott folgt die gesellschaftliche und politische Unterdrückung. In dieser Zeit wächst die Einsicht zu schließlicher Buße: Umkehr zu Gott ist Umkehr zum Leben, denn immer wieder hört Gott auf ihr Gebet. Es ist immer der gleiche Vorgang.

Zur Zeit Jephtas wurde das Volk Israel geknechtet von den Ammonitern. Verbrannte Felder, geschundene Frauen, gemordete Kinder, zerstörte Häuser. Mit sieben Richtern nacheinander hat Gott sein Volk versucht, zu retten und zu heilen. Nun ist es ist genug. Gottes Geduld ist erschöpft. Aber das Volk schreit und bekehrt sich zu Gott. Wiedereinmal. Noch einmal. Da "jammert es ihn dass lsrael so geplagt wurde." Jetzt tritt Jephta ein in die Geschichte. Ein Verstoßener aus seiner Familie und seinem Stamm ist er, Sohn einer Hure, der nicht das Erbe teilen soll mit den Rechtmäßigen. Jephta geht in die Wildnis, sammelt "lose Leute" um sich als Freischärler und wird hier ein "tapferer und stolzer streitbarer Mann". Einer, der tut, was er sagt und sagt, was er tut. Zu ihm ziehen in großer Ausweglosigkeit die Altesten von Gilead mit der Bitte, dass er sie von der Übermacht der Ammoniter befreie, denn es ist keiner, der die Fähigkeiten des Jephta hätte in Israel. Nach der bitteren Kindheit und schlimmen Jugend nun dies. "Ihr habt mich gehasst, aus dem Vaterhaus geworfen, und jetzt, da ihr mich braucht, kommt ihr einfach so und klopft an mein Zelt?" Jephta stellt die klare Bedingung: Wenn ich in den Krieg ziehe und ihn gewinne, will ich euer Anführer bleiben. Sie stimmen zu. Jephta entpuppt sich nicht nur als stark und streitbar, auch als Diplomat und Kenner geschichtlicher Zusammenhänge. Nachdem auf dem Verhandlungsweg kein Frieden zu erreichen war, gibt Jephta das weitere Geschick der zerstrittenen Länder in die Hand Gottes. "Der Herr, der da Richter ist, richte heute zwischen Israel und den Ammonitern". Die Antwort ist deutlich: "Da kam der Geist des Herrn auf Jephta". lm Sturmwind dieses Geistes befreit Jephta sein Volk von der Übermacht des Feindes. Jephta ist Richter in Israel mit dem Geist Gottes begabt, er kämpft für Israel, er rettet Israel. sein Name sollte mit Dankbarkeit und Erleichterung verbunden sein. Wenn da nicht dieses furchtbare Gelübde aus Jephtas Mund zu Beginn des Krieges wäre: "Gibst du die Ammoniter in meine Hand, so soll, was mir aus meiner Haustür entgegengeht, wenn ich von den Ammonitern heil zurückkomme, dem Herrn gehören, und ich will's als Brandopfer darbringen." (Richter 11 ,30+31)

Als Jephta aus dem Krieg nach Hause kommt, springt ihm seine Tochter, seine einzige und das einzige Kind, voller Freude mit Pauken und Reigen entgegen. Jephta zerreißt seine Kleider zum Zeichen des Todesschmerzes. "Wie beugst du mich und betrübest mich. Ich habe meinen Mund aufgetan vor dem Herrn und kann's nicht widerrufen." Die Tochter bestärkt den Vater in seinem Gelübde, erbittet zwei Monate Zeit, mit ihren Freundinnen in der Einsamkeit der Berge ihre Zukunft zu beweinen. Nach ihrer Rückkehr zu ihrem Vater "tat er an ihr, wie er gelobt hatte". Seit diesem Tage ist es Brauch in Israel, dass die Töchter Israels jährlich vier Tage klagen um die verlorene Tochter Jephtas.

Soweit die Geschichte um den Richter Jephta. Was bleibt ist ein schaler bitterer Geschmack und eine lange Reihe an Fragen:
- Warum konnte Jephta nicht widerrufen?
- Wo waren die beflissenen Priester mit den Geboten Gottes?
- Warum hat die Tochter sich nicht gewehrt?
- Gibt es keine Mutter, die schreit?
- Warum greift Gott nicht ein wie er eingegriffen hat auf dem Berg Moria, um Isaak zu schonen?

Gott hat sich auf die Menschlichkeit und Unmenschlichkeit seiner Geschöpfe eingelassen. ER hat den Menschen die Freiheit zu wählen gegeben zwischen Leben und Tod, Krieg und Frieden. ER ist ein Gott des Lebens und der Liebe. Wo nicht das Leben siegt, ist Gott zum Götzen der eigenen Macht entstellt. Darum spricht Gott selbst in dieser Geschichte kein Wort. Es ist das falsche Gottesbild, das Jephta hat. Vergessen hat er das Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen. Weder von Gott noch von den Menschen. Und da ist keiner, ihn zu warnen. Nicht nur Jephta ist schuldig. Durch Schweigen, durch Wegschauen, durch Einverständnis, durch Bestärkung falscher Bindung werden sie alle mit schuldig.

Was bleibt? Vielleicht der Gedanke, wenigsten einen Tag im Jahr weltweit zum Tag der geopferten Kinder auszurufen und diesen in Schweigen, Gedenken und Gebet zu begehen. Und die Warnung, Gott nicht für den eigenen Maßstab von Recht und Gerechtigkeit zu missbrauchen.

Carl Martin Reinthaler hat dieses Ende nicht ausgehalten. ER lässt Jephta um Erbarmen zu Gott flehen und seine Tochter wird wie einst Isaak und Iphigenie dem Tode entrinnen. "Lege deine Hand nicht an die Tochter, heilige sie dem Herrn", ruft der Prophet. Was diese Heiligung für das Leben der namenlosen Tochter bedeutet, ist den Singenden und Hörenden überlassen. Es ist ein himmlischer Schluss.


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