In
2006 folgte Bielefeld:
Donnerstag, 8. Juni 2006, 20 Uhr, Rudolf-Oetker-Halle
Drittes Saisonkonzert
des Musikvereins der Stadt Bielefeld e.V.
Sabine Ritterbusch, Sopran
Waltraud Hoffmann-Mucher, Alt
Jürgen Sacher, Tenor
Armin Kolarczyk, Bass
Chor des Musikvereins und Philharmonisches Orcehster der Stadt Bielefeld
Einstudierung: Martin Fugmann
Leitung: Wolfgang
Helbich (oder
hier ...)
Quelle:
http://www.monokel.eu/archiv/Monokel 64.pdf
2007 erinnerte
sich Erfurt mit dem JEPHTA an einen seiner
bekanntesten Komponisten
(Vier aktive und
ehemalige Sängerkränzler flohen vor dem Sambafestival und 35 Grad im
Schatten in die Kühle der Augustiner-Kirche Erfurt. Sie ließen es sich
nicht nehmen, dieses heute nur noch selten aufgeführte Werk einmal
live zu erleben. Es war die Reise wert! Dank an Dietrich Ehrenwert
und die Augustiner-Kantorei für dieses Erlebnis.)
Augustinerkirche Erfurt
Samstag | 14.7.2007 | 19:30 Uhr
Erfurter Wiederaufführung
des im Augustinerkloster geborenen Komponisten nach 110 Jahren
Eleonore Marguerre - Sopran
Karin Neubauer - Sopran
Christiane Bassek - Alt
Uwe Stickert - Tenor
Frank Schiller - Bass
Augustiner-Kantorei
Mitteldeutsches Kammerorchester
Leitung:
Dietrich Ehrenwerth
In der
Vorbesprechung schrieb Kathrin Schanze:
(Quelle: Homepage
der Predigerkirche Erfurt)
"Carl
Reinthalers „Jephta“ - Erfurt erinnert sich am 14. Juli 2007 eines
vergessenen Sohnes
„Stehe auf, Herr, erhebe Dich…“ Die ersten Takte des Oratoriums „Jephta
und seine Tochter“ erklingen. Am Dirigentenpult steht sein Komponist,
der Königliche Musikdirektor Carl Reinthaler. Wir befinden uns im „grossen
Theatersaale“ in Erfurt und schreiben das Jahr 1856, den 14. Oktober.
Wenn am 14. Juli dieses Jahres eben jene Takte von Reinthalers Oratorium
in der Augustinerkirche wieder erklingen, hat Erfurt einen Sohn seiner
Stadt wieder entdeckt. Hier nämlich wurde jener Carl Martin Reinthaler
am 13. Oktober 1822 geboren – und zwar im Augustinerkloster. Als erster
Sprössling Wilhelm Reinthalers, der eben da den berühmten Martinsstift
für verwahrloste Kinder gegründet hatte. Carls Weg zur Musik war nicht
eben auf Rosen gebettet: Der spätere Komponist hatte auf das Geheiß des
Vaters erst Pfarrer zu werden, wiewohl sich im 7. Semester Theologie
„die Stimme seines Genius mit Macht geltend machte“, wie Bruder Paul
Reinthaler sich später erinnerte.
Über die deutschen Landesgrenzen hinaus geltend machte sich insbesondere
Carl Reinthalers allererstes großes Werk: das Oratorium „Jephta und
seine Tochter“. 1855 uraufgeführt, gehörte das Stück bis zum Ende des
19. Jahrhunderts zum Repertoire jeder besseren Chorvereinigung. Immer
wieder gelang es Chor und Orchester, so schreibt ein Musikkritiker 1857,
„die Stimmung des Publicums so für sich zu gewinnen, dass dadurch dem
Verfasser ein binnen kurzem weit verbreiteter Ruf begründet worden ist.“
Erzählt wird in Reinthalers Oratorium dramatisch, pathetisch wie auch
romantisch die alttestamentarische Geschichte von Jeptha, dem Heerführer
gegen die Ammoniter. Er hatte Gott für den Fall eines geschenkten Sieges
zu opfern gelobt, was ihm bei seiner Rückkehr als erstes begegnet. Es
sollte seine einzige Tochter sein…
Vor Jahren war es zunächst das Textbuch, auf das
Landeskirchenmusikdirektor Dietrich Ehrenwerth stieß – im Internet.
„Danach hab` ich dann mal einen Klangeindruck gehabt und war hin- und
hergerissen.“ In Bremen, wo Reinthaler bis fast zu seinem Tode 1893 als
Domkantor wirkte, war das Stück 1979 nach beinahe 100-jährigem
Dornröschenschlaf wieder zum Leben erweckt worden.
Nun also, auch hier mit über 100 Jahren Abstand, erneut Erfurt. Wird mit
dem Sohn sein einstiger Erfolg zurückkehren? „Ich glaube schon, dass der
´Jephta` gut ankommt“, ist Dietrich Ehrenwerth mittlerweile überzeugt.
„Man muss ihn ein bisschen mit den Ohren des 19. Jahrhunderts hören, mit
allen Emotionen, die diese Zeit so bereit hält.“
Nicht von ungefähr begann Kantor Ehrenwerth mit den Chor- und
Orchesterproben bereits im Januar. „Das Ganze ist nicht unanspruchsvoll.
Gerade für`s Orchester spielt es sich teilweise doch ziemlich haarig.
Für Laienspieler ist es schlicht zu schwer.“ Die Besetzung ist bis auf
die bewährten Solisten und die Augustinerkantorei daher eine
außergewöhnliche: Zu Gast sein werden bei der neuerlichen Erfurter
Aufführung in der Augustinerkirche auch Musiker aus dem Leipziger
Gewandhaus, von der Staatskapelle Weimar und vom MDR – gewissermaßen als
Taufpaten einer musikalischen Wiedergeburt. „Es gibt unheimlich viel
Klassik, die kaum noch wahr genommen wird“, macht Dietrich Ehrenwerth
schon jetzt neugierig auf weitere Schätze der „un-erhörten Art“, die er
gern der Vergessenheit entreißen würde…
„Lasst uns singen“, so wird am 14. Juli der Schlusschor in Reinthalers „Jephta“-Oratorium
erklingen, genau so, wie man ihn auch am 14. Oktober 1856 sang. „Lasst
uns singen von der Gnade des Herrn. Die seiner harren, erhalten neue
Kraft.“
Und im Programmheft
zum Konzert erfährt man dankenswerterweise mehr über den Komponisten und
seine Beziehungen zu Erfurt::
Carl Martin Reinthaler wurde am
13. Oktober 1822 im Erfurter Augustinerkloster geboren. Sein Vater, Karl
Christian Wilhelm Reinthaler, hatte Theologie studiert und - inspiriert
durch die Bekanntschaft mit dem Weimarer Theologen Johannes Falk - in
Erfurt die "Gesellschaft der Freunde in der Not" gegründet mit dem Ziel,
sich der Erziehung armer und elternloser Kinder zu widmen. Ein
sogenanntes Rettungshaus, das "Martinsstift" wurde am 10. November 1821
(Martini!) im Südflügel des Augustinerklosters errichtet. Außerdem
heiratete er am selben Tag auch Dorothea Dufft, die Tochter des Erfurter
Bürgermeisters.
Ein knappes Jahr später wurde der Sohn Carl Martin geboren, der zusammen
mit seinen sieben Geschwistern "in monastischer Strenge" im Gelände des
Augustinerklosters aufwuchs. Seine musikalische Ausbildung erhielt er
bei August Gottfried Ritter, begann auf Drängen des Vaters 1841 in
Berlin Theologie zu studieren (seine zum Examen gehörende Predigt hielt
er in der Augustinerkirche) und anschließend Musik bei Adolf Bernhard
Marx. In diesen Jahren sang er in der Berliner Singakademie mit, dem in
Deutschland führenden Chor seiner Zeit, und lernte so das gängige
Oratorienrepertoire kennen. Ende der vierziger Jahre trat Reinthaler
zunehmend als Liedkomponist und Sänger in Erscheinung. Nachdem der
Berliner Domchor einige Psalmkompositionen Reinthalers in sein
Repertoire aufgenommen hatte, wurde der Preußische König Friedrich
Wilhelm IV. auf Rheintaler aufmerksam und ermöglichte ihm zwischen 1849
und 1852 einen Studienaufenthalt in Paris und Rom. Die italienische
Landschaft inspirierte Reinthaler, auf die Suche nach dem Stoff für ein
Oratorium zu gehen, welchen er in der Jephta-Geschichte fand. Das
Libretto erstellt er selbst.
Von 1853-1857 wirkte er als Lehrer am Kölner Konservatorium. Inzwischen
war er auch durch die Studienaufenthalte und die Rheinischen Musikfeste
mit vielen führenden Komponisten und Musikern bekannt, bzw. befreundet,
u.a. mit Chopin, Liszt, Berlioz, Meyerbeer, Rossini, Cherubini, Hiller,
Schumann, Wagner und Mendelssohn.
In diesen Jahren vollendete Reinthaler das Oratorium "Jephta und seine
Tochter". Die Uraufführung fand am 5. Mai 1855 unter Leitung von Carl
Reinecke in Elberfeld statt. Bereits im April 1856 wurde es in London
aufgeführt, später u.a. auch in Aachen, Bremen, Köln, Düsseldorf,
Göttingen, Leipzig, Hamburg, Lübeck, Wismar und Rotterdam. Am 14.
Oktober 1856 dirigierte Reinthaler sein Werk erstmalig in Erfurt "zur
Feier des allerhöchsten Geburtstagsfestes Sr. Majestät des Königs", dem
er das Werk gewidmet hatte. lm Gegenzug ernannte ihn der König zum
Königlichen Musikdirektor. 1857 wurde das Oratorium bei Breitkopf &
Härtel gedruckt. Zweifellos ist Reinthaler mit diesem Werk ein großer
Wurf gelungen, besonders da er vorher ausschließlich kleinere Formen wie
Lieder und a-cappella-Psalmen komponiert hatte.
In Erfurt wurde der "Jephta" durch die Musikvereine nochmals 1873, 1884
und zuletzt 1897 aufgeführt. Die Wiederentdeckung des Oratoriums begann
in Bremen im Jahre 1979, nachdem Domkantor Wolfgang Helbig im
Notenarchiv einen Klavierauszug aufgefunden hatte. Es folgten außer in
Bremen einige wenige Aufführungen in Coburg, Wetzlar und Bielefeld.
Ab 1857 prägte Rheintaler als Domorganist, Leiter der Singacademie und
der Privat-Concerte, später auch als Leiter des Domchores und als
Gesangslehrer das musikalische Leben der Stadt Bremen. 1859 wurde er zum
städtischen Musikdirector ernannt. 1860 fand unter seiner Leitung die
Bremer Erstaufführung der Bachschen Matthäus-Passion statt. 1861
heiratete er die 2O-jährige Bremer Bürgerstochter Susanne Charlotte
Bredekamp. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.
Reinthaler war aber auch weiterhin als Komponist tätig: Er gab ein
Choralbuch mit 200 Sätzen heraus, vollendete seine Sinfonie D-Dur, op.
12, und mehrere Ouvertüren. 1863 wurde ein von ihm anlässlich des 50.
Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig komponiertes deutsches "Te
Deum" in einem Festgottesdienst im Bremer Dom von über 300 Sängern und
Instrumentalisten aufgeführt.
Mit Johannes Brahms verband Reinthaler viele Jahre eine herzliche
Freundschaft. 1868 studierte er mit der Singacademie die Urfassung des
Deutschen Requiems von Johannes Brahms ein, am Karfreitag leitete Brahms
selbst die Uraufführung im Bremer Dom. Noch einmal gelang dem
Komponisten Reinthaler ein großer Erfolg als er einen von der Stadt
Düsseldorf ausgelobten Wettbewerb zu Ehren Bismarcks gewann und für
seine "Bismarck-Hymne" ein Preisgeld von 1000 Thalern erhielt. Der Text
schlägt einen für unsere Zeit befremdlichen deutsch-nationalen und
heroisierenden Ton an. Auch seine Oper "Käthchen von Heilbronn" wurde an
vielen deutschen Opernhäusern gespielt.
Die letzten Lebensjahre waren geprägt von dem Streit mit den Vertretern
der Neudeutschen Schule (Liszt, Wagner u.a.) und internen Bremer
Auseinandersetzungen verschiedenster Art. lm Februar 1896 starb
Reinthaler in Bremen.
Ebenfalls im
Programmheft geht Pröpstin Elfriede Begrich näher auf Reinthaler
und den JEPHTA Stoff ein:
Eine
biblische Besinnung zum Werk Carl Martin Reinthalers
Ja, so hätten wir es gern, wie Carl Martin Reinthaler die Geschichte
enden lässt: verantwortliche Menschen, fromme und couragierte Zeugen der
Gnade Gottes, die im letzten Moment eingreifen, das Schlimmste
verhindern. den Bösen überfällt die Reue und am Ende stimmt das Volk das
große Halleluja an. Aber die Welt ist nicht so. Und die Menschen in ihr
auch nicht. Jedenfalls sind sie nicht genug, Mord, Opfer und Unheil zu
wehren. Jephta opfert seine Tochter seinem Gott, der nie ein solches
Opfer von ihm verlangt hat; hatte ER selbst doch Menschenopfer von
Beginn an seinem Volk Israel verboten. Kinderopfer, ein böses Phänomen
archaischer Zeit?
Heute werden Kinder geopfert der Prostitution in Bangladesch, der
Sklaverei in Sri Lanka. Verhungernde Kinder in Afrika und tiefgefroren
in der Kühltruhe hierzulande, verdurstet in Sömmerda, verscharrt in
Blumenkästen und aufgefunden in Müllsäcken.
Also nicht zu schnell die Unmenschlichkeit an längst vergangenen Zeiten
festmachen, die kriegslüsternen Moabiter und Aramäer und Judäer als
vorchristliche Barbarei verurteilen; dabei vergessend, dass die größte
Unmenschlichkeit aller Zeiten von einem "Christen" in Brand gesetzt
wurde, der bis heute nicht exkommuniziert ist. Die Erzählung von Jephta
und seiner Tochter ist beängstigend. Sie ist so beängstigend, dass ich
mir wünschte, sie könnte aus der Heiligen Schrift verbannt werden. Aber
sie kann es nicht. Sie steht da - im Buch der Richter in 2 Kapiteln (11
und 12), in 47 Versen erzählt. Eine Episode, die Dunkelheit hervorbringt
und in der Vergangenheit begraben liegt und doch immer wieder
aufersteht, nicht zur Ruhe kommt. Ein Vater opfert seine Tochter:
Agamemnon führte die blühende Iphigenie vor den Altar der Artemis.
Kalchas, der Priester flehte die Göttin um das Gelingen der Trojafahrt
an und die Annahme dieses Opfers. Er erhob den tödlichen Stahl, da -
wurde die Opferstätte von Nebel umhüllt, und als dieser sich verzogen
hatten, lag eine Hirschkuh auf dem Altar. Anders das Geschick Antigones,
die ihren Bruder beerdigt, wieder und wieder trotz des Befehls des
Königs, dass des Tode ist, wer dies tut. Einmal entdecken die Wächter
die Täterin und bringen sie vor den König. Antigone spricht das berühmte
Wort: "Nicht um zu hassen, um zu lieben, bin ich da."Der Chor singt:
"Viel gibt es des Ungeheuren. Doch nichts ist Ungeheurer als der
Mensch." Antigone geopfert der Staatsräson.
Zurück zu Jephta, dem Richter in Israel, eine Erzählung von Grausamkeit
und Reue, von Einsamkeit und Unglück. Die Fakten sind schnell erzählt:
Es ist die Zeit nach der Landnahme und vor der Staatengründung. Zeit
zwischen Anarchie und Monarchie, zwischen dem Wissen, GOTT ist König und
dem Begehren, einen König haben zu wollen wie alle Stadtstaaten herum:
Moabiter, Edomiter, Perisiter, Jebusiter, Ammoniter... Es ist eine der
schwächsten Zeiten in der jüdischen Geschichte. Unter Mose fand das Volk
seine jüdische Identität, unter dem Nachfolger Josua eroberte es sein
Land. Nun beginnt die Generation der Richter, deren gab es zwölf, sie
umgreift den Zeitraum von ca 1200-1012v.Chr., bevor mit dem ersten König
Saul die Monarchie in Israel beginnt. Die Zeit der Richter ist die Zeit
des Niedergangs, königslose Zeit und beschreibt den Weg von der
Theokratie über die Anarchie zur Monarchie. Diese ist dabei das kleinere
Übel, eine Geschichte im Scheitern und immer wieder erfolgter Gnade: Auf
den Abfall von Gott folgt die gesellschaftliche und politische
Unterdrückung. In dieser Zeit wächst die Einsicht zu schließlicher Buße:
Umkehr zu Gott ist Umkehr zum Leben, denn immer wieder hört Gott auf ihr
Gebet. Es ist immer der gleiche Vorgang.
Zur Zeit Jephtas wurde das Volk Israel geknechtet von den Ammonitern.
Verbrannte Felder, geschundene Frauen, gemordete Kinder, zerstörte
Häuser. Mit sieben Richtern nacheinander hat Gott sein Volk versucht, zu
retten und zu heilen. Nun ist es ist genug. Gottes Geduld ist erschöpft.
Aber das Volk schreit und bekehrt sich zu Gott. Wiedereinmal. Noch
einmal. Da "jammert es ihn dass lsrael so geplagt wurde." Jetzt tritt
Jephta ein in die Geschichte. Ein Verstoßener aus seiner Familie und
seinem Stamm ist er, Sohn einer Hure, der nicht das Erbe teilen soll mit
den Rechtmäßigen. Jephta geht in die Wildnis, sammelt "lose Leute" um
sich als Freischärler und wird hier ein "tapferer und stolzer
streitbarer Mann". Einer, der tut, was er sagt und sagt, was er tut. Zu
ihm ziehen in großer Ausweglosigkeit die Altesten von Gilead mit der
Bitte, dass er sie von der Übermacht der Ammoniter befreie, denn es ist
keiner, der die Fähigkeiten des Jephta hätte in Israel. Nach der
bitteren Kindheit und schlimmen Jugend nun dies. "Ihr habt mich gehasst,
aus dem Vaterhaus geworfen, und jetzt, da ihr mich braucht, kommt ihr
einfach so und klopft an mein Zelt?" Jephta stellt die klare Bedingung:
Wenn ich in den Krieg ziehe und ihn gewinne, will ich euer Anführer
bleiben. Sie stimmen zu. Jephta entpuppt sich nicht nur als stark und
streitbar, auch als Diplomat und Kenner geschichtlicher Zusammenhänge.
Nachdem auf dem Verhandlungsweg kein Frieden zu erreichen war, gibt
Jephta das weitere Geschick der zerstrittenen Länder in die Hand Gottes.
"Der Herr, der da Richter ist, richte heute zwischen Israel und den
Ammonitern". Die Antwort ist deutlich: "Da kam der Geist des Herrn auf
Jephta". lm Sturmwind dieses Geistes befreit Jephta sein Volk von der
Übermacht des Feindes. Jephta ist Richter in Israel mit dem Geist Gottes
begabt, er kämpft für Israel, er rettet Israel. sein Name sollte mit
Dankbarkeit und Erleichterung verbunden sein. Wenn da nicht dieses
furchtbare Gelübde aus Jephtas Mund zu Beginn des Krieges wäre: "Gibst
du die Ammoniter in meine Hand, so soll, was mir aus meiner Haustür
entgegengeht, wenn ich von den Ammonitern heil zurückkomme, dem Herrn
gehören, und ich will's als Brandopfer darbringen." (Richter 11 ,30+31)
Als Jephta aus dem Krieg nach Hause kommt, springt ihm seine Tochter,
seine einzige und das einzige Kind, voller Freude mit Pauken und Reigen
entgegen. Jephta zerreißt seine Kleider zum Zeichen des Todesschmerzes.
"Wie beugst du mich und betrübest mich. Ich habe meinen Mund aufgetan
vor dem Herrn und kann's nicht widerrufen." Die Tochter bestärkt den
Vater in seinem Gelübde, erbittet zwei Monate Zeit, mit ihren
Freundinnen in der Einsamkeit der Berge ihre Zukunft zu beweinen. Nach
ihrer Rückkehr zu ihrem Vater "tat er an ihr, wie er gelobt hatte". Seit
diesem Tage ist es Brauch in Israel, dass die Töchter Israels jährlich
vier Tage klagen um die verlorene Tochter Jephtas.
Soweit die Geschichte um den Richter Jephta. Was bleibt ist ein schaler
bitterer Geschmack und eine lange Reihe an Fragen:
- Warum konnte Jephta nicht widerrufen?
- Wo waren die beflissenen Priester mit den Geboten Gottes?
- Warum hat die Tochter sich nicht gewehrt?
- Gibt es keine Mutter, die schreit?
- Warum greift Gott nicht ein wie er eingegriffen hat auf dem Berg Moria,
um Isaak zu schonen?
Gott hat sich auf die Menschlichkeit und Unmenschlichkeit seiner
Geschöpfe eingelassen. ER hat den Menschen die Freiheit zu wählen
gegeben zwischen Leben und Tod, Krieg und Frieden. ER ist ein Gott des
Lebens und der Liebe. Wo nicht das Leben siegt, ist Gott zum Götzen der
eigenen Macht entstellt. Darum spricht Gott selbst in dieser Geschichte
kein Wort. Es ist das falsche Gottesbild, das Jephta hat. Vergessen hat
er das Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen. Weder von Gott noch von
den Menschen. Und da ist keiner, ihn zu warnen. Nicht nur Jephta ist
schuldig. Durch Schweigen, durch Wegschauen, durch Einverständnis, durch
Bestärkung falscher Bindung werden sie alle mit schuldig.
Was bleibt? Vielleicht der Gedanke, wenigsten einen Tag im Jahr weltweit
zum Tag der geopferten Kinder auszurufen und diesen in Schweigen,
Gedenken und Gebet zu begehen. Und die Warnung, Gott nicht für den
eigenen Maßstab von Recht und Gerechtigkeit zu missbrauchen.
Carl Martin Reinthaler hat dieses Ende nicht ausgehalten. ER lässt
Jephta um Erbarmen zu Gott flehen und seine Tochter wird wie einst Isaak
und Iphigenie dem Tode entrinnen. "Lege deine Hand nicht an die Tochter,
heilige sie dem Herrn", ruft der Prophet. Was diese Heiligung für das
Leben der namenlosen Tochter bedeutet, ist den Singenden und Hörenden
überlassen. Es ist ein himmlischer Schluss.
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