Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1813-1893) und der Sängerkranz Coburg

[ Sitemap ]


von Dr. Harald Bachmann

Der Herzog war zeit seines Lebens ein Freund des Männergesangswesens und des deutschen Liedes gewesen. Mit Begeisterung förderte er die deutsche Sängerbewegung und schrieb selbst Männerchorkompositionen. In zahlreichen Abhandlungen wurde dies gewürdigt, in jüngster Zeit in zwei Beiträgen in dem Jubiläumsband anläßlich des Doppeljubiläums des Herzogs, herausgegeben im Juni 1993 zum 175. Geburtstag und 100. Todestage im Auftrag der Städte Coburg und Gotha. Dr. Friedhelm Brusniak (Sängermuseum Feuchtwangen) stellte Herzog Ernst II. als engagierten Protektor der deutschen Sängerbewegung dar, wobei selbstredend die Gründung des Deutschen Sängerbundes am 21. September 1862 in Coburg unter der Ägide des Herzogs einen Höhepunkt und Ausgangspunkt für den Chorgesang in Deutschland überhaupt bildete. Natürlich dürfen hierbei zwei Aspekte nicht übersehen werden, auf der einen Seite der Volksbildungsgedanke, der mit dem Gesangsvereinswesen verbunden sein sollte, und auf der anderen Seite die Möglichkeiten, auf eine Einigung des partikularistisch aufgesplitterten deutschen Vaterlandes mit Hilfe des gemeinsamen Liedgutes hinzuwirken. Die "große Politik" in den deutschen Großstaaten und Österreich wollte verständlicherweise die

"Vereinsmeierei" des kleinen Coburger Herzogs nicht zur Kenntnis nehmen, übersah aber nicht den pädagogischen Wert des Gesangvereinswesens, wie er sich bis heute erhalten hat. Letzteren förderte der Herzog durch zahlreiche Liedkompositionen, wie wir sie in dem zweiten Beitrag des erwähnten Jubiläumsbandes nachlesen können, in dem Rudolf Potyra (Coburg) in äußerst verdienstvoller Weise einen längst überfälligen Gesamtüberblick über die Kompositionen Ernst II. gibt, also ein erste Werkverzeichnis! Natürlich konnte niemand bei der Gründung des Sängerkranzes Coburg am 29. September 1843 ahnen, daß nur wenige Monate später der junge Erbprinz die Regierung der beiden Herzogtümer Coburg und Gotha in die Hand nehmen mußte. Am 29, Januar 1844 war Herzog Ernst I. unerwartet in Gotha gestorben. Der Sängerkranz Coburg wurde von Herzog Ernst II. gebeten, bei der allgemeinen Trauerfeier in der St. Morizkirche zu singen. Bereits am 21. Juni des gleichen Jahres widerfuhr dem Sängerkranz erneut die Ehre, auf Wunsch des Herzogshofes aufzutreten, diesmal zum Geburtstag des jungen Herzogs im Hoftheater zu Coburg, wobei zwei Kompositionen des Fürsten zu Gehör gebracht wurden.

Nicht ganz spurlos gingen die bewegten Jahre der bürgerlich-liberalen Revolution von 1848/49 an dem Sängerkranz vorüber. Der Herzog stellte sich bekanntlich selbst an die Spitze der konstitutionellen Bewegung, ernannte sich selbst zum Kommandeur der Coburger Bürgerwehr und erwartete von den Mitgliedern des Sängerkranzes eine rege Teilnahme an den Übungen und den weiteren Veranstaltungen der Bürgerwehr, wie abendliche Wachgänge zum Schutze der Bürger, ganz im Sinne des damals kursierenden Wortes "Turner, Sänger, Schützen sind des Reiches Stützen". So fiel manche Gesangsprobe den Diskussionen über die zukünftige Politik in Deutschland zum Opfer. Doch folgten dem Scheitern der Revolution von 1848 bald wieder ruhigere Zeiten. 1851 konnte zu einem 1. Sängertag nach Coburg gerufen werden. 1855 konnte der Sängerkranz für die Zeit vom 28.-30.Juli zum 2.Coburger Sängertag nach Coburg laden. Der Herzog hatte seine erst 1852 fertiggestellte Reitbahn als Sängerhalle zur Verfügung gestellt. Allgemein wird von einer glanzvollen Veranstaltung gesprochen, die von dem 3.Coburger Sängertag vom 21.-24.Juli 1860 verständlicherweise weit übertroffen wurde. Mit Unterstützung des Herzogs konnte man auch unter den Mitgliedern des Sängerkranzes dem Gedanken näher treten, die Stadt Coburg zur Abhaltung einer "Conferenz des Gesangvereinsauschusses" vorzuschlagen. Der Vorstand schlug dem Ausschuß des Schwäbischen Sängerbundes Coburg als Tagungsort vor. "Hier hätten schon größere Sängerfeste stattgefunden, und der Herzog stünde voll hinter den Bestrebungen der deutschen Sängerbewegung."

In der Ausschußsitzung von 22.April 1862 wurde Coburg als Tagungsort gewählt. So konnte nach den umfangreichen und mühsamen Vorbereitungen durch den Sängerkranz am 21.September 1862 in der Herzoglichen Reithalle der Deutsche Sängerbund von 68 Abgeordneten von 41 Sängerbünden mit insgesamt 45.000 Sängern aus Deutschland, Österreich, England, Frankreich und Rußland aus der Taufe gehoben werden. Sicher wäre ohne das Zusammenwirken von Landesherr und Sängerkranz dieses für ganz Deutschland wegweisende Ereignis nicht möglich gewesen.

Dieses vertrauensvolle Verhältnis blieb auch in den folgende Jahren erhalten. Anläßlich des 25jährigen Bestehens des Sängerkranzes im Jahre 1868 verlieh der Herzog dem Chormeister Stadtkantor Friedrich Böhm das Prädikat Musikdirektor.

Der deutsch-dänische Krieg von 1864, der deutsche Bruderkrieg von 1866 und der deutsch-französische Krieg von 1870/71 forderten von den Coburgern und auch von den Mitgliedern des Sängerkranzes entsprechenden Einsatz und Opfer, sodaß über lange Zeit hinweg kein geregeltes Vereinsleben möglich war. Erst 1872 konnte endlich wieder zu einem Sängertag nach Coburg eingeladen werden. Während dieses 4.Coburger Sängertages konnte auf der Veste unter "unter den Augen des erhabenen Componisten (Herzog Ernst II.) und in Gegenwart ihres Dichters (Müller von der Werra)" die viel besungene Hymne "Lobpreiset laut und rühmt und ehrt..." zu Gehör gebracht werden. Im Dezember desselben Jahres wirkte der Sängerkranz bei einer Aufführung im Residenzschloß mit.

Nachdem schon zum Stiftungsfest des Jahres 1876 acht Nummern aus der Märchenkomposition von Robert Schumann "Der Rose Pilgerfahrt" aufgeführt wurden, wurde der Sängerkranz vom Herzog eingeladen, das gesamte Werk im Januar 1877 bei einem Hofkonzert chormäßig zu bestreiten. Noch im Dezember des gleichen Jahres führte der Sängerkranz auf Wunsch des Herzogs zusammen mit dem Chorpersonal des Hoftheaters das Requiem von Verdi im Theater auf. Das 7.Fränkische Sängerbundfest sollte sich zu einem der letzten Höhepunkte unter Herzog Ernst II. gestalten. Auf dem Anger war eine Festhalle nach den Entwürfen des Sängerkranzmitgliedes Stadtbaurat Martinet erbaut worden. Sie faßte 2.000 Sänger und 3.600 Zuhörer. Sie scheint die Veranstaltungsprobleme Coburgs besser gelöst zu haben, als so mancher millionenschwere heutige Bau in der Nähe des Angers. Schade, daß man sie wieder abgerissen hat.

 

Es war für den Herzog eine Ehrenpflicht, die Ausschußmitglieder des Fränkischen Sängerbundes und die anwesenden Komponisten ins Schloß Ehrenburg einzuladen.

Am 21.Juni 1891 erklangen erklangen beim Festkonzert zur Feier des Geburtstags des Herzogs drei seiner Kompositionen durch den Sängerkranz. Als sich der Sängerkranz anschickte für den September 1893 sein 50jähriges Bestehen festlich zu begehen, ließ der Tod seines Gönners am 22.August 1893 dies nicht zu. Pietätvoll verschob man die Feier auf den September 1894. In der Trauerbotschaft des Sängerkranzes auf den Tod des Herzogs hieß es: "Dem deutschen Männergesang war er Zeit seines Lebens der begeistertste Förderer. Dem Sängerkranz Coburg aber galt sein hervorragendes Interesse, sein aufrichtiges Wohlwollen."

Lit.:
- Festschrift des Sängerkranzes zur Feier des 125jährigen Vereins-Bestehens, Coburg 1968
- Beiträge von Friedhelm Brusniak und Rudolf Potyra im Jubiläumsband für Herzog Ernst II., Coburg und Gotha 1993

(Quelle: Festschrift zum 150. Chorjubiläum, 1993)


[ Sitemap ]

Seitenanfang   Kontakt  Gästebuch