Der Herzog war zeit seines Lebens ein Freund des
Männergesangswesens und des deutschen Liedes gewesen. Mit Begeisterung förderte er die
deutsche Sängerbewegung und schrieb selbst Männerchorkompositionen. In zahlreichen
Abhandlungen wurde dies gewürdigt, in jüngster Zeit in zwei Beiträgen in dem
Jubiläumsband anläßlich des Doppeljubiläums des Herzogs, herausgegeben im Juni 1993
zum 175. Geburtstag und 100. Todestage im Auftrag der Städte Coburg und Gotha. Dr. Friedhelm Brusniak (Sängermuseum Feuchtwangen) stellte Herzog Ernst II. als
engagierten Protektor der deutschen Sängerbewegung dar, wobei selbstredend die Gründung
des Deutschen Sängerbundes am 21. September 1862 in Coburg unter der Ägide des Herzogs
einen Höhepunkt und Ausgangspunkt für den Chorgesang in Deutschland überhaupt bildete.
Natürlich dürfen hierbei zwei Aspekte nicht übersehen werden, auf der einen Seite
der Volksbildungsgedanke, der mit dem Gesangsvereinswesen verbunden sein sollte, und
auf der anderen Seite die Möglichkeiten, auf eine Einigung des partikularistisch
aufgesplitterten deutschen Vaterlandes mit Hilfe des gemeinsamen Liedgutes hinzuwirken.
Die "große Politik" in den deutschen Großstaaten und Österreich wollte
verständlicherweise die
"Vereinsmeierei" des kleinen Coburger Herzogs nicht
zur Kenntnis nehmen, übersah aber nicht den pädagogischen Wert des Gesangvereinswesens,
wie er sich bis heute erhalten hat. Letzteren förderte der Herzog durch zahlreiche
Liedkompositionen, wie wir sie in dem zweiten Beitrag des erwähnten Jubiläumsbandes
nachlesen können, in dem Rudolf Potyra (Coburg) in äußerst verdienstvoller Weise einen
längst überfälligen Gesamtüberblick über die Kompositionen Ernst II. gibt, also ein
erste Werkverzeichnis! Natürlich konnte niemand bei der Gründung des Sängerkranzes
Coburg am 29. September 1843 ahnen, daß nur wenige Monate später der junge Erbprinz die
Regierung der beiden Herzogtümer Coburg und Gotha in die Hand nehmen mußte. Am 29,
Januar 1844 war Herzog Ernst I. unerwartet in Gotha gestorben. Der Sängerkranz Coburg
wurde von Herzog Ernst II. gebeten, bei der allgemeinen Trauerfeier in der St. Morizkirche
zu singen. Bereits am 21. Juni des gleichen Jahres widerfuhr dem Sängerkranz erneut die
Ehre, auf Wunsch des Herzogshofes aufzutreten, diesmal zum Geburtstag des jungen Herzogs
im Hoftheater zu Coburg, wobei zwei Kompositionen des Fürsten zu Gehör gebracht wurden.
Nicht ganz spurlos gingen die bewegten Jahre der bürgerlich-liberalen Revolution von
1848/49 an dem Sängerkranz vorüber. Der Herzog stellte sich bekanntlich selbst an die
Spitze der konstitutionellen Bewegung, ernannte sich selbst zum Kommandeur der Coburger
Bürgerwehr und erwartete von den Mitgliedern des Sängerkranzes eine rege Teilnahme an
den Übungen und den weiteren Veranstaltungen der Bürgerwehr, wie abendliche Wachgänge
zum Schutze der Bürger, ganz im Sinne des damals kursierenden Wortes "Turner,
Sänger, Schützen sind des Reiches Stützen". So fiel manche Gesangsprobe den
Diskussionen über die zukünftige Politik in Deutschland zum Opfer. Doch folgten dem
Scheitern der Revolution von 1848 bald wieder ruhigere Zeiten. 1851 konnte zu einem 1.
Sängertag nach Coburg gerufen werden. 1855 konnte der Sängerkranz für die Zeit vom
28.-30.Juli zum 2.Coburger Sängertag nach Coburg laden. Der Herzog hatte seine erst 1852
fertiggestellte Reitbahn als Sängerhalle zur Verfügung gestellt. Allgemein wird von
einer glanzvollen Veranstaltung gesprochen, die von dem 3.Coburger Sängertag vom
21.-24.Juli 1860 verständlicherweise weit übertroffen wurde. Mit Unterstützung des
Herzogs konnte man auch unter den Mitgliedern des Sängerkranzes dem Gedanken näher
treten, die Stadt Coburg zur Abhaltung einer "Conferenz des
Gesangvereinsauschusses" vorzuschlagen. Der Vorstand schlug dem Ausschuß des
Schwäbischen Sängerbundes Coburg als Tagungsort vor. "Hier hätten schon größere
Sängerfeste stattgefunden, und der Herzog stünde voll hinter den Bestrebungen der
deutschen Sängerbewegung."
In der Ausschußsitzung von 22.April 1862 wurde Coburg als Tagungsort gewählt. So konnte
nach den umfangreichen und mühsamen Vorbereitungen durch den Sängerkranz am 21.September
1862 in der Herzoglichen Reithalle der Deutsche Sängerbund von 68 Abgeordneten von 41
Sängerbünden mit insgesamt 45.000 Sängern aus Deutschland, Österreich, England,
Frankreich und Rußland aus der Taufe gehoben werden. Sicher wäre ohne das Zusammenwirken
von Landesherr und Sängerkranz dieses für ganz Deutschland wegweisende Ereignis nicht
möglich gewesen.
Dieses vertrauensvolle Verhältnis blieb auch in den folgende Jahren erhalten. Anläßlich
des 25jährigen Bestehens des Sängerkranzes im Jahre 1868 verlieh der Herzog dem
Chormeister Stadtkantor Friedrich Böhm das Prädikat Musikdirektor.
Der deutsch-dänische Krieg von 1864, der deutsche Bruderkrieg von 1866 und der
deutsch-französische Krieg von 1870/71 forderten von den Coburgern und auch von den
Mitgliedern des Sängerkranzes entsprechenden Einsatz und Opfer, sodaß über lange Zeit
hinweg kein geregeltes Vereinsleben möglich war. Erst 1872 konnte endlich wieder zu einem
Sängertag nach Coburg eingeladen werden. Während dieses 4.Coburger Sängertages konnte
auf der Veste unter "unter den Augen des erhabenen Componisten (Herzog Ernst II.) und
in Gegenwart ihres Dichters (Müller von der Werra)" die viel besungene Hymne
"Lobpreiset laut und rühmt und ehrt..." zu Gehör gebracht werden. Im Dezember
desselben Jahres wirkte der Sängerkranz bei einer Aufführung im Residenzschloß mit.
Nachdem schon zum Stiftungsfest des Jahres 1876 acht Nummern aus der Märchenkomposition
von Robert Schumann "Der Rose Pilgerfahrt" aufgeführt wurden, wurde der
Sängerkranz vom Herzog eingeladen, das gesamte Werk im Januar 1877 bei einem Hofkonzert
chormäßig zu bestreiten. Noch im Dezember des gleichen Jahres führte der Sängerkranz
auf Wunsch des Herzogs zusammen mit dem Chorpersonal des Hoftheaters das Requiem von Verdi
im Theater auf. Das 7.Fränkische Sängerbundfest sollte sich zu einem der letzten
Höhepunkte unter Herzog Ernst II. gestalten. Auf dem Anger war eine Festhalle nach den
Entwürfen des Sängerkranzmitgliedes Stadtbaurat Martinet erbaut worden. Sie faßte 2.000
Sänger und 3.600 Zuhörer. Sie scheint die Veranstaltungsprobleme Coburgs besser gelöst
zu haben, als so mancher millionenschwere heutige Bau in der Nähe des Angers. Schade,
daß man sie wieder abgerissen hat.
Es war für den Herzog eine Ehrenpflicht, die
Ausschußmitglieder des Fränkischen Sängerbundes und die anwesenden Komponisten ins
Schloß Ehrenburg einzuladen.
Am 21.Juni 1891 erklangen erklangen beim
Festkonzert zur Feier des Geburtstags des Herzogs drei seiner Kompositionen durch den
Sängerkranz. Als sich der Sängerkranz anschickte für den September 1893 sein
50jähriges Bestehen festlich zu begehen, ließ der Tod seines Gönners am 22.August 1893
dies nicht zu. Pietätvoll verschob man die Feier auf den September 1894. In der
Trauerbotschaft des Sängerkranzes auf den Tod des Herzogs hieß es: "Dem deutschen
Männergesang war er Zeit seines Lebens der begeistertste Förderer. Dem Sängerkranz
Coburg aber galt sein hervorragendes Interesse, sein aufrichtiges Wohlwollen."
Lit.:
- Festschrift des Sängerkranzes zur Feier des 125jährigen Vereins-Bestehens, Coburg 1968
- Beiträge von Friedhelm Brusniak und Rudolf Potyra im Jubiläumsband für Herzog Ernst
II., Coburg und Gotha 1993
(Quelle: Festschrift zum 150.
Chorjubiläum, 1993)
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