Felix
Mendelssohn-
Bartholdy
.
"Paulus"

15. November - St. Moriz Kirche
Renate Düerkop
Elke Ullrich
Henner Leye
Phillip Langshaw
.
Thüringen Philharmonie
Suhl
1992

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Pressestimmen


Dienstag, 17.11.1992 - "Neue Presse" Coburg

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Rudolf Potyra

Mit langem und begeistertem Beifall nahmen die vielen Besucher, die sich am Sonntag in der Morizkirche eingefunden hatten, die eindrucksvolle und mitreißende Wiedergabe des Oratoriums "Paulus" von Felix Mendelssohn-Bartholdy auf. Nicht nur die Zuhörer bejubelten die Aufführung. Im Hochgefühl eines prächtig gelungenen Werkes feierten sich die Ausführenden gegenseitig; der Konzerchor Sängerkranz Coburg und die Thüringer Philharmonie Suhl, die Solisten Renate Düerkop (Sopran), Henner Leyhe (Tenor), Phillip Langshaw (Baß). und der Dirigent Leopold Schindler. Nur den Organisten Marco Fröhlich, der sich naturgemäß im "Abseits" befand, vergaß man. Dabei hätte ein Handzeichen genügt!

Als "Juwel der Gegenwart" begrüßte Robert Schumann 1836 das Mendelssohnsche Werk nach der Düsseldorfer Uraufführung. Mit dem Oratorium "Paulus" hatte der Komponist ein Werk geschaffen, das sich an barocken Vorbildern orientierte, aber zugleich in eigenständiger, ganz von der Romantik geprägten Weise Maßstäbe für die Zukunft setzte. Bachsche Kontrapunktik und monumentale Chöre nach Händels Vorbild verschmolzen hier mit romantischer Gefühlswärme. Und Schubert dürfte das Vorbild für den natürlich fließenden und verinnerlichten Einsatz der menschlichen Stimme gewesen sein. Dazu kommt eine tiefe Gläubigkeit, die aus jedem Takt spricht und die das Werk zu einem großen Glaubensbekenntnis macht.

Hauptträger des musikalischen Geschehens ist der Chor. Von insgesamt 45 Einzelnummern hat der Chor 14 ganz zu singen, und bei zehn ist er - meist recht umfangreich - beteiligt. Was hierfür bei den rund 50 Sängerinnen und 30 Sängern an Probenarbeit geleistet wurde, verdient uneingeschränkte Hochachtung und Leopold Schindler, der Dirigent, hat sich - um einen früher gebräuchlichen Ausdruck zu benutzen - als wahrer Chor-"Meister" erwiesen. Bei der Vorbereitung hat es sicher nicht viel genützt, daß er das Werk bereits vor sechs Jahren aufgeführt hat, da nur ein "harter" Kern damals dabei war, während für die meisten - vor allem jungen - Chormitglieder die Musik Neuland war.

Rasche Tempi

Die bevorzugte Domäne Leopold Schindlers scheinen rasche Tempi, und eine kräftige, vor allem im Fortebereich angesiedelte Dynamik zu sein. So wurden die mit bewundernswerter Präzision und rhythmischer Akkuratesse gesungenen Fugen wie auch die dramatischen Szenen ("Weg mit ihm!" - "Steiniget ihn!") in ihrer realistischen Wiedergabe zu eindrucksvollen chorischen Höhepunkten; ebenso die Anfangs- und Schlußchöre der beiden Teile des Oratoriums, wo die Dynamik bis an die Grenzen ausgeschöpft wurde. Ruhigere Zeitmaße und eine verhaltenere Tongebung wären in vereinzelten Fällen einer verinnerlichten Textausdeutung entgegengekommen. Die Choräle, die Mendelssohn nach Bachschem Vorbild als betrachtende und gliedernde Teile einsetzte, ließen in dieser Richtung jedoch keinen Wunsch offen.

Die Sopranpartie hatte Renate Düerkop übernommen. Anfängliche Intonationsschwierigkeiten bei den Spitzentönen wurden im Laufe des Abends abgebaut. Ihre Rezitative und die Arie "Jerusalem, die du tötest die Propheten" sang sie mit intensivem Ausdruck. Bei "Lasset uns singen von der Gnade des Herrn" hätte man ihr etwas mehr Zeit gewünscht, um den lyrischen Charakter voll aussingen zu können. Renate Düerkop gestaltete zusätzlich die kleine Altpartie, die für sie etwas zu tief lag.

Statt des ursprünglich vorgesehenen Roland Wagenführer hatte man Henner Leyhe verpflichten müssen. Im wesentlichen hatte er Rezitative beizusteuern, die rmit zuverlässiger Höhe, wohltuend warmem und schmiegsamem Ton sowie einem am Wort orientierten Ausdruck sang. Auch ihm hätte man bei seinem berühmtesten Stück "Sei getreu bis in den Tod" etwas mehr Ruhe für eine beseelte Gestaltung und ein dezenteres Solo-Cello gewünscht.

Der Bassist Phillip Langshaw war schon vor sechs Jahren dabei. Seiner großen Stimme wurde ein hohes Maß an Wandlungsfähigkeit abverlangt, muß sie doch aus der des fanatischen Christenverfolgers Saulus ("Verfolge sie") zu der des gläubigen Apostels Paulus ("Gott sei mir gnädig") werden. Zu diesen Arien kamen noch zwei weitere, wobei Langshaw in der letzten ("Wisset ihr nicht") mit einem wohltuenden Piano überzeugen konnte. Darüber hinaus hatte er noch zwei Duette mit dem Tenor zu singen, womit Langshaw das umfangreichste und vielseitigste Pensum des Abends zu absolvieren hatte.

Hochqualifiziert

Mit der Thüringen-Philharmonie Suhl stand - nicht zum erstenmal - Leopold Schindler ein hochqualifiziertes Orchester zur Verfügung, das schon das breit angelegte Vorspiel hervorragend ausmusizierte und im Laufe des Abends für Chor und Solisten ein hervorragender Partner war. Es ging auf alle Intentionen Leopold Schindlers ein, der mit knappen, sachlichen, klaren, präzisen Gesten und ohne jede Schau den großen Aufführungsapparat überlegen und mit souveräner Werkkennntnis leitete. Er hatte jederzeit alle Fäden fest in der Hand.

Am entgegengesetzen Ende der Kirche saß Marco Fröhlich an der Orgel. Trotz der großen Entfernung fügte er seine Beiträge genau in das musikalische Geschehen ein, teils machtvolle Akzente setzend, teils behutsam das Stimmengeflecht erweiternd.

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Dienstag, 17.10.1992 - "Coburger Tageblatt"

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Hans Höfer

Neben dem "Elias" gehört der "Paulus" des 27jährigen Felix Mendelssohn-Bartholdy zu den beachtenswerten Oratorien des 19. Jahrhundert. In der formalen Anlage knüpft er unmittelbar an das oratorische Schaffen von Bach und Händel an. Mendelssohn, der sich stets fest zum Judentum bekannte, legte mit seinem "Paulus" ein glühendes Zeugnis seines christlichen Glaubens ab.

So erreicht diese oratorisch verbrämte Saulus-Paulus-Wandlung durchaus nathanische Größe in Lessingschem Sinn. Mit der Textzeile "Wie lieblich sind die Boten, die den Frieden verkündigen", gewann das Werk am Volkstrauertag aktuellsten Bezug. Wieder einmal erlebten die Besucher in St. Moriz eine vorzügliche thüringisch-fränkische Koproduktion durch die Suhler Philharmonie und den Coburger Konzertchor "Sängerkranz".

Unter der souveränen und Ruhe ausstrahlenden Leitung von Leopold Schindler boten der vokale und instrumentale Klangkörper eine überwältigend famose Leistung, die von dem zum Terzett reduzierten Solistenensemble nicht ganz erreicht werden konnte. Trotz der großen Entfernung sorgte Marco Fröhlich an der großen Schuke-Orgel für rhythmische Kongruenz und Klangüberhöhung mit Stereowirkung.

Handelnd, erzählend und reflektierend hat der Chor das Geschehen um die Wandlung des Paulus vorzutragen und kam mit dieser Trias ausgezeichnet zurecht. So geriet bereits der Auftaktchor prägnant, transparent und dynamisch voll ausgelotet, bekennerhaft und dramatisch wuchtig die Gesänge des Volkes, federnd und mitunter wie gemeißelt erklangen die zahlreichen Fugati, Fugen und Doppelfugen auch bei heikler Rhythmik ("Ist das nicht der zu Jerusalem") oder ungewöhnlicher Harmonik ("Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte"), pastoral und ausdrucksvoll "Wie lieblich sind die Boten" und überirdisch und majestätisch der Schlußchor mit der überwältigenden Gotteslob-Fuge.

Aber auch die Choräle erfuhren eine festbezogene Wiedergabe zwischen Verinnerlichung und Bestimmtheit. Es grenzt schon an Beckmesserei, wenn man das einmalige Schleppen, einen zu robusten Fugeneinsatz oder eine Unsicherheit überbewerten wollte. Zu Recht wurde von den zahlreich erschienenen Besuchern die "Thüringen Philharmonie Suhl" bejubelt, die wieder einmal mehr ein beredtes Zeugnis ihres musikalischen Gespürs und Könnens abgab.

Das begann bereits bei der Ouvertüre, als das Leitthema des Oratoriums "Wachet auf, ruft uns die stimme" klangvoll angestimmt, das Fugato geheimnisvoll und düster gestaltet und abschließend das Hauptthema zu jubelndem Strahlen gebracht wurde. Die feinsinnigen Mendelssohnschen musikalischen Zeichnungen besorgte das Orchester in großer Akribie, steter Transparenz und bester Abgewogenheit zu den Solisten. Dabei wechselten nuancenreich feinste Ziselierung mit kraftvollen farbenreichen Pinselstrichen. Es war wieder ein Genuß, dem famosen Klangkörper zu lauschen.

In den die Handlung verbindenden zahlreichen Rezitativen hatten alle drei Solisten ihre stärksten Momente, denn die erklangen gut artikuliert und gestützt, doch nicht alle Arien und Duette erreichten diese Qualität. So ist Renate Düerkop, die auch die Altpartie mit übernommen hatte, eigentlich eine Mezzosopranistin, so daß die Mittellage sehr klangvoll und tragfähig anspricht. Doch klingen die höheren Töne, besonders im lyrischen Bereich, mitunter recht mühevoll. Der Vortrag des Altariosos war freilich nicht mehr als eine Notlösung.

Zwar besitzt Henner Leyhe eine tenoral timbrierte Stimme, dennoch bereiten auch ihm die Töne jenseits der Baritonlage manche Schwierigkeiten. In der Kavantine "Sei getreu bis in den Tod" hielt der Tenor innige Zwiesprache mit dem Cello-Solisten. Sonor, prägnant, aber mitunter zu pastos setzte Phillip Langshaw seine kraft- und klangvolle Baßstimme ein, wobei besonders die Arien des Titelhelden Ausstrahlung besaßen.

Am Ende feierten die Zuhörer alle Mitwirkenden der famosen "Paulus"-Aufführung, vor allem den überlegenen Dirigenten Leopold Schindler, der auch den Konzertchor auf diese enorme Leistung optimal vorbereitet hatte.

Libretto

Das Libretto zum "Paulus" finden sie unter der Seite zur Aufführung des Werkes im Jahres 1986.

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