Rein zufällig fallen das 150jährige Bestehen des Coburger
Konzertchores "Sängerkranz" und das Doppeljubiläum von Herzog Ernst II. von
Sachsen-Coburg und Gotha (175. Geburtstag, 100. Todestag) im Jahre 1993 zusammen und
dennoch gibt es in der Vestestadt einige Gemeinsamkeiten. Als Förderer der nationalen
Einigung Deutschlands bot der Herzog in seinem Residenzstädtchen manchen Veranstaltungen
Heimat und Schutz. So verkündet eine Gedenktafel an der ehemaligen herzoglichen Reithalle
am Rande des Schloßplatzes:
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"Zum Gedenken: Am 21.September 1862
wurde in diesem Hause der Bund gegründet, der deutsche Sänger aller Länder der Erde
vereint. Der Deutsche Sängerbund."
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Es war der "Sängerkranz", der diesen Sängertag in Coburg
initiierte und organisierte. Nachdem der Verein 1851, 1855 und 1860 bereits Coburger
Sängertage mit jeweils mehr als tausend Teilnehmern durchgeführt hatte, nahm er seine
große Chance wahr und erreichte im Januar 1862, "daß Se. Hoheit Höchstseine
persönliche Genehmigung" zu dem Vorschlage des Vereinsvorstandes erteilte, "die
Stadt Coburg zur Abhaltung einer Conferenz des Gesangsvereinsausschusses zu
bestimmen."
19 Jahre zuvor, im Jahre 1843 scharte Stadtkantor Philipp Knauer etwa 40 Coburger Bürger,
"welche schon einige Fortschritte im Singen gemacht haben", um sich und hob so
den "Sängerkranz" aus der Taufe. Nach "bewegten Zeiten" verließ
Knauer Coburg.
Sein Nachfolger wurde Stadtkantor Friedrich Böhm, in
dessen Amtszeit die Gründung des "Deutschen Sängerbundes" fiel.
Von 1870 bis 1894 war Lehrer Wilhelm Braun Chormeister
beim "Sängerkranz", dem die Blüte und die hochgeachtete Stellung des Chores zu
verdanken war.
In der Wahl des neuen Dirigenten, Professor Carl Türk,
hatte der Verein wieder den Richtigen getroffen, der wie sein Vorgänger die Arbeit für
den hochrenommierten Verein als eine Lebensaufgabe ansah, und der in der Musikwelt über
die Grenzen Coburgs hinaus auch als Komponist zu hohem Ansehen gelangte.
Auch Türks Nachfolger in der Chorleitung, Studienprofessor
Wilhelm Weißenborn, führte die musikalische Sache des "Sängerkranzes"
"zielstrebig und richtunggebend" in der schwierigen Zeit zwischen den beiden
Weltkriegen fort.
Unter Hauptlehrer Wilhelm Feylers Chorleitung kam die
Chorarbeit 1940 zum Erliegen; im 100. Geburtsjahr des Vereins fiel der hochgeschätze
Chormeister vor Stalingrad.
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1964 trug sich die letzte
regierende Herzogin Victoria Adelheid von Sachsen-Coburg-Gotha in das 2 Jahre zuvor
anläßlich der 100 Jahrfeier des Deutschen Sängerbundes in Coburg angelegte Gästebuch
des Konzertchores ein |
Auch der Coburger "Sängerkranz" erstand wieder neu aus den Ruinen, die das
"Tausendjährige Reich" hinzerlassen hatte. Nochmal stellte sich Ehrenchorleiter
Wilhelm Weißenborn als Dirigent zur Verfügung, ehe 1948 die zwanzigjährige "Ära
Hein" begann, über die Dr. Friedrich Klose so trefflich schrieb: "In wenigen
Jahren hat der 'Sängerkranz' das schon immer vorhandene Ansehen noch weiter steigern
können, er ist unter Hans Heins Leitung zu einer Sängervereinigung geworden, die in der
Pflege des Männerchores und des weltlichen Chorgesangs weit über Coburgs Grenzen hinaus
als vorbildlich gilt. Das stärkste Kennzeichen des 'neuen Kurses' war das eindeutige und
unbedingte Bekenntnis zur Leistungssteigerung. Seit Hans Hein
seine Tätigkeit aufnahm, zäh und unbeirrt arbeitete und manchen Widerständen zum Trotz
sich durchsetzte, war der Weg des 'Sängerkranz' klar vorgezeichnet, und es spricht für
das echte Sängertum und die Begeisterungsfähigkeit seiner Mitglieder, daß sie ihm auf
diesem schwierigen und oft dornenreichen Wege ihre Gefolgschaft nicht versagt haben."
In die "Ära Hein" fielen so bemerkenswerte Aufführungen wie Haydns
"Jahreszeiten" und "Schöpfung", Orffs "Carmina burana",
Beethovens "Neunte" und Verdis "Requiem".
Über das Festkonzert anläßlich der 100-Jahr-Feier des "Deutschen
Sängerbundes" 1862 in Coburg vermerkt die Vereinschronik: " 'Das gesegnete
Jahr', das erhebende Oratorium des 1951 verstorbenen fränkischen Komponisten Armin Knab,
machte in der Tat 1962 für den 'Sängerkranz' zu einem gesegneten Jahr. Über 200
Mitwirkende, der Sängerkranzchor, der Schülerchor des Gymnasiums Albertinum und das
Landestheater-Orchester brachten unter der Stabführung von Gymnasialprofessor Hein eine
Leistung zustande, deren verdiente Anerkennung der nicht enden wollende Beifall
war."
Neben zwei Live-Sendungen mit oratorischen Werken nahm der Bayerische Rundfunk 128
A-capella-Chöre vom "Sängerkranz" auf.
(Sängerkranz 1968 unter Hans Hein)
Um seine Mitglieder mit vielen Gebieten der Musik vertraut
zu machen, führten die Chorleiter Künstlerkonzerte ein, die bis in das Jahr 1882
zurückreichen. Besonders unter der Ägide von Professor Hein wurden sie intensiviert,
wobei der Chormeister meistens als versierter Klavierbegleiter zu hören war. Unter dem
Dirigat von Oberlehrer Albert Eichler besaß der "Sängerkranz" auch ein auf
beachtlichem Niveau stehendes Vereinsorchester. Mit Haydns Jahreszeiten 1968 zum 125.
Stiftungsfest beendete Hans Hein seine Chormeistertätigkeit beim
"Sängerkranz", um sich ganz als "Chorerzieher Frankens" dem Chor der
Chorleiter "Burg Feuerstein" zu widmen.
Kontinuierlich setzte Gerhard
Deutschmann das Wirken von Hans Hein über eineinhalb Jahrzehnte fort, doch führte er
am Dirigentenpult des "Sängerkranzes", der sich jetzt bald
"Konzertchor" nannte, manche Neuerungen ein. Auch unter Deutschmanns Leitung gab
es höchst bemerkenswerte Oratorienaufführungen und Künstlerkonzerte. Stellvertretend
für viele seien hier erneut die beim Chor so beliebten Haydn-Oratorien genannt. Neue
Akzente setze Deutschmann auch dadurch, daß er immer mehr Chorwerke des 20. Jahrhunderts
ins Repertoir aufnahm. "In terra pax" von Frank Martin und "König
David" von Arthur Honegger waren dafür beredte Beispiele. In enger Zusammenarbeit
mit dem Landestheater wirkte der Konzertchor mehrmals bei Sinfoniekonzerten mit, wobei
zweimal die "Neunte Sinfonie" von Ludwig van Beethoven zum Erklingen gebracht
wurde, ferner "Das klagende Lied" und die 2. Sinfonie von Gustav Mahler, sowie
"Die erste Walpurgisnacht" von Mendelssohn.
Besonders war der "Sängerkranz" von Carl Orffs "Carmina burana"
begeistert. Über eine denkwürdige Aufführung auf dem Coburger Marktplatz im Jahre 1977 (siehe Foto) schrieb das "Coburger Tageblatt": "Eine
malerische Kulisse bot der Coburger Marktplatz für die gelungene konzertante Aufführung
von Orffs 'Carmina burana'. Vor dem mit dem Schicksalsrad und Fahnen geschmückten Rathaus
musizierten der Konzertchor, der Chor des Gymnasiums Albertinum und das Orchester des
Landestheaters unter der Leitung von Gerhard Deutschmann mit einem Schwung und einer
Begeisterung, die die kraftvollen 'Cantiones profanae' über den außergewöhnlichen
Rahmen hinaus zu einem besonderen und überaus eindrucksvollen Erlebnis werden
ließen."
Als Komponist und als Dirigent setzte
Gerhard Deutschmann zwei Höhepunkte: 1978 erfolgte die deutsche Erstaufführung der
dreisätzigen Kantate "La Musica" in St.Moriz, für die der Komponist bei dem
internationalen Wettbewerb "Dia Internacional del Canto Coral" in Barcelona den
ersten Preis erhalten hatte. Mit der Urauführung des der Vestestadt gewidmeten
"Coburger Te Deum" im Jahre 1983 und dem damit verbundenen Brückenschlag zu
Melchior Franck, indem er dessen Rätselkanon "Da pacem Domine" einfügte,
bekannte sich Deutschmann zu seiner neuen Heimat, die er nach turbulenten Nachkriegsjahren
1958 in Coburg gefunden hatte. Bald entwickelte sich der Konzertchor
"Sängerkranz" zu einer Singgemeinschaft, die die Chorwerke ihres Dirigenten
optimal zur Aufführung brachte. Davon zeugen vor allem die Auftritte in Bad Brückenau,
als die preisgekrönten anspruchsvollen A-capella-Kompositionen beim
"Valentin-Becker-Wettbewerb" uraufgeführt wurden.
Nach 15 Jahren übergab Deutschmann den Dirigentenstab an Kantor Leopold Schindler, der den Chor stark verjüngte
und sich ganz der Musica sacra verschrieben hat. Unter seiner Stabführung erfolgten
vielbeachtete Oratorienaufführungen, wie "Judas
Maccabäus" von Händel und "Paulus" von
Mendelssohn-Bartholdy. Für das reichhaltige vestestädtische Musikleben entdeckte der
neue Chorleiter zwei "Marktlücken". So spezialisierte er sich zunächst auf
geistliche oratorische Werke aus Italien von Rossini, Verdi, Puccini und sogar Donizetti, dessen "Messa
di Requiem" im Jahre 1988 zur Aufführung gelangte. Als Orchester verpflichtete
Leopold Schindler hauptsächlich die Hofer Symphoniker. Als zweites Standbein dienten ihm
oratorische Raritäten deutscher Romantiker, wie das "Miserere"
von E.T.A.Hoffmann.
Noch einmal mußte Ehrenchorleiter Gerhard Deutschmann in
die Bresche springen, als 1990 eine der allerersten thüringisch-fränkischen
Koproduktionen nach der Grenzöffnung anstand, denn er leitet drei Aufführungen der
"Carmina burana" in Suhl, Ilmenau und Rödental mit den Chören
"Sängerkranz", Albertinum, Annawerk und Singakademie Suhl sowie der
Südthüringen-Philharmonie Suhl.
Zu einer weiteren fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem vorzüglichen Suhler Orchester kam es
im Oktober 1991, als Leopold Schindler mit dem biblischen Oratorium "Moses"
von Max Bruch sich als musikalischer Schatzgräber betätigte. Über die denkwürdige
Aufführung vermeldete das "Coburger Tageblatt": "Bedenkt man das der
Konzertchor nur ein knappes Drittel an Sängerinnen und Sängern auf das Podium in der
Morizkirche brachte als Bruch bei der Uraufführung vor knapp einem Jahrhundert, so kann
man über die stimmliche Prägnanz und sängerische Präzision nur in Hochachtung
sprechen. Doch es bestach nicht nur die Klangfülle, sondern besonders die
Handlungsfähigkeit, wenn es galt die unterschiedlichen Stimmungslagen des Volkes Israel
zu deuten. Dabei konnte man nur erahnen, welche immense musikalische Einstudierungsarbeit
vom musikalischen Leiter des 'Sängerkranzes' geleistet werden mußte. Zurecht wurde das
Suhler Philharmonische Orchester mit Sonderapplaus verabschiedet, denn es grenzte an ein
Phänomen, daß es äußerste Klangüppigkeit präsentierte, ohne Solisten und Chor zu
überstrahlen." Brachte das Orchester des Coburger Landestheaters in Zusammenarbeit
mit dem Coburger Bachchor und dem "Sängerkranz" anläßlich seines 150jährigen
Bestehens unter der Leitung von Generalmusikdirektor Christian Fröhlich zum fünften
Sinfoniekonzert Verdis "Requiem" in St.Moriz zur Aufführung, so wartet der
Jubelchor mit einem Festkonzert eigener Prägung auf, da er seinen 150. Geburtstag mit dem
60. seines Ehrendirigenten Gerhard Deutschmann verbindet und dessen größte und
erfolgreichste Chorwerke "La Musica" und das Coburger Te
Deum" präsentiert. Dazu gesellt sich die Uraufführung von Deutschmanns Opus
100, die Sinfonie in E.
Am Anfang und am Ende seiner nun 150 jährigen Geschichte griff der ruhmreiche Coburger
"Sängerkranz" auf kulturhistorischem Gebiet in die Einigung Deutschlands ein
und leistet so auch in diesem Bereich vorbildliche Arbeit, die dem Chor auf allen Ebenen
in der Zukunft beschieden sein möge!
(Quelle: Festschrift zum 150.
Chorjubiläum, 1993)
Der vorstehende Beitrag wurde vom Autor für diese
Homepage freundlicher Weise um den Zeitraum seit dem 150. Jubiläum wie folgt ergänzt:
In seinem 152. Jahr bot er zum Gedenkjahr an das Ende des zweiten
Weltkrieges vor einem halben Jahrhundert einen gewichtigen Beitrag zur musikalischen
Völkerverständigung, indem er unter der umsichtigen Leitung von Leopold Schindler,
gemeinsam mit den Prager Symphonikern, das in England uraufgeführte Oratorium "Die heilige Ludmila" des tschechischen Komponisten
Antonin Dvorák in der Coburger Morizkirche zur vestestädtischen Erstaufführung brachte.
Damit blieb Chorleiter Schindler seinem Prinzip treu, vergessene oratorische Werke wieder
zu beleben, denn bereits 1994 kam es zu einer "Ausgrabung" von "Mors et vita" von Charles Gounod und zwei Jahre später
von "Jephta" von Carl Martin Reinthaler.
Im oratorienlosen Jahr 1997 wartete der Konzertchor anläßlich der
Landesausstellung "Ein Herzogtum und viele Kronen" mit einem A-capella-Konzert
mit Werken der Coburger Komponisten Melchior Franck, Felix
Draeseke, Johann Strauß. Hans Sternberg, Gerhard Deutschmann und Franz Möckl im
Kongreßhaus Rosengarten auf. Auch hierbei gab es einen internationalen Beitrag wie dem
"Coburger Tageblatt" zu entnehmen ist. "Schluß- und Höhepunkt des
Konzertes war die Wiedergabe der vor einem Jahrzehnt entstandenen Kantate mit Liedern aus
16 Ländern 'Alle Welt singt' von Möckl. Das von einem sakralen Quodlibet gekrönte Werk
führt stimmungs- und wirkungsvoll, mit manchen aparten romantischen Wendungen komponiert,
musikalisch durch Europa, Fernost die Neue Welt und Iberoamerika."
Franz von Suppé, der belgischer Abstammung war, aus Dalmatien kam, sich
als Italiener fühlte und zum Wiener wurde, war ein Mitbegründer der Operette. Aber auch
er schrieb ein bemerkenswertes "Requiem", das der
"Sängerkranz" 1999 zum Klingen brachte und so mehr oder weniger unbewußt einen
sakralen Beitrag zum Johann-Strauß-Gedenkjahr in der Vestestadt beisteuerte. Zum
wiederholten Male versah dabei das Loh-Orchester Sondershausen den instrumentalen Part, so
daß erneut eine thüringisch-fränkische Gemeinschaftsproduktion zustande kam.
Auch nach seinem 150. Jahr setzte der "Sängerkranz" seine
publikumswirksamen Weihnachtskonzerte in der Coburger Heiligkreuzkirche fort, die jeweils
vom "Quempas" und den Deutschmann-Bearbeitungen zu "Stille Nacht" und
"O du fröhliche" feierlich abgeschlossen werden. Auch hier betätigte sich
Leopold Schindler 1999 als Schatzgräber, indem er die erste Hälfte der Vortragsfolge dem
Brahms-Zeitgenossen Josef Gabriel Rheinberger widmete, dessen Schaffen lange Zeit in
Vergessenheit war.
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